Eine unmoralische Affäre
Anstellungsvertrag womöglich nicht bekommen. Welsh war nämlich tief bewegt gewesen von ihrer tragischen Geschichte. Im Nachhinein fand Katherine jedoch, dass sein spontanes Mitgefühl für eine arme, bedauernswerte Witwe verdammt schnell verflogen war.
»Hab ich Sie erschreckt? Tut mir leid, das wollte ich nicht.« Während sie ihren Computer herunterfuhr, umrundete er ihren Arbeitsplatz und sah sie fest an. »Sie haben es doch sicher nicht eilig heute Abend, oder? Ich dachte … ich meine, was halten Sie davon, wenn wir beide das lange Wochenende mit einem Drink einstimmen?«
Katherine erstarrte unter der fleischigen Männerhand, die sich schwer auf ihre Schulter legte und sie unnachgiebig auf ihren Bürostuhl drückte. Jetzt bloß keine Panik zeigen oder gar die falschen Schlüsse ziehen!, ermahnte sie sich. Trotzdem fühlte sie sich zunehmend unbehaglich, so allein mit ihm in ihrem Büro.
»Oh, danke, Mr. Welsh …«
»Ronald.«
»R…Ronald, aber ich muss jetzt wirklich nach Hause. Meine Güte, wie spät das schon wieder ist«, japste sie nach einem Blick auf ihre Armbanduhr, obwohl sie das nicht wirklich kümmerte. Sie wollte nur weg - bloß weg aus der Enge ihres kleinen Büros.
Es glückte ihr schließlich, sich von ihrem Stuhl hochzustemmen, doch als sie zur Tür setzte, packte er sie am Arm. »Alle anderen sind schon gegangen, Katherine. Sie hatten es eilig, nach Hause zu kommen und sich auf den Labor Day einzustimmen. Ist das nicht schön? Wir haben das ganze Gebäude für uns und können unsere eigene kleine Party feiern.« Zu ihrem wachsenden Entsetzen schritt er zur Tür und schloss ab.
»Ich bin sicher, Sie werden mir diesen kleinen Gefallen nicht abschlagen. Sie arbeiten doch gern hier, oder? Das hoffe ich jedenfalls schwer. Für Sie ist es immerhin nicht unerheblich, dass Sie einen sicheren Job haben. Ich meine, Sie sind eine Witwe mit einem kleinen Kind, da sind Sie auf ein regelmäßiges Einkommen angewiesen, stimmt’s?«, salbaderte er arrogant.
Katherines Kehle verengte sich vor Panik, während er sie mit lüsternem Blick anstarrte. Sie schluckte schwer und beschloss zu bluffen. Am besten, sie ging erst mal auf dieses
widerwärtige Tête-à-Tête ein. Anders wusste sie sich in dieser kritischen Situation nicht zu helfen.
»Einverstanden, Ronald. Das mit dem Drink klingt gut«, heuchelte sie Begeisterung. Sie nötigte sich ein schmallippiges Lächeln ab. Ihre Züge gefroren. Sie musste unbedingt zu dieser Tür gelangen!
»Ich wusste, Sie würden mir keinen Korb geben.« Der korpulente kleine Mann trat zu ihr, streckte die Hand aus und streichelte mit seinen dicken Wurstfingern ihre Wange.
Katherine kam unwillkürlich die Galle hoch, gleichwohl glückte ihr die Karikatur eines Lächelns. Ihr Mund war so staubtrocken, dass ihre Lippen an den Zähnen festklebten.
»Was möchten Sie trinken, meine Liebe? Wussten Sie übrigens, dass ich mir für solche Gelegenheiten eine kleine Hausbar eingerichtet habe?«
Er zwinkerte ihr zu, ehe er sich umdrehte und sich über ein Schubfach beugte. Katherine machte einen unschlüssigen Schritt in Richtung Tür. Um ihn von ihrem Vorhaben abzulenken, sagte sie: »Ach, ich bin nicht wählerisch. Irgendwas, was Sie dahaben.«
»Ich mag unkomplizierte Frauen.« Er straffte sich, in einer Hand eine Flasche billigen Schnaps, in der anderen zwei angestaubte Gläser. Katherine registrierte, dass es die gleichen Gläser waren, wie sie in der Cafeteria auf dem Campus verwendet wurden. Sie musste sich einen hysterischen Lachanfall verkneifen. Geil und geizig! Und ein Abstaubertyp von der miesesten Sorte.Von wegen Champagner, und ich werde schwach. Der verschwendete sein Geld bestimmt nicht für romantische Schäferstündchen.
»Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir, Katherine. Entspannen
Sie sich.« Er pflanzte seinen fetten Hintern auf das schmale Sofa und klopfte mit der flachen Hand auf das Polster.
Katherine erwog, sich fluchtartig zur Tür zu stürzen und Reißaus zu nehmen. Aber das durfte sie getrost vergessen, denn die Tür befand sich auf der Längsseite des Büros. Stattdessen würde sie auf Zeit spielen, sann sie, bis sich eine günstige Gelegenheit zur Flucht bot. Hoffentlich war es dann nicht zu spät! Mit wackligen Knien stakste sie zu der Couch und setzte sich neben ihn.
Der süßliche Gestank seiner Haarpomade, sein Körperschweiß und das stechende Aroma des billigen Fusels, den er ihr hinhielt, verursachten ihr Brechreiz. Sie lächelte jedoch
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