Eine unzüchtige Lady
einfachen Kuss mit einem unschuldigen Mädchen Angst einjagen lässt.«
»Sie würden irren.« Die ganze Sache war kompliziert, und es fiel ihm schwer, sie so deutlich zu machen, dass seine Worte Sinn ergaben. Langsam erklärte er: »Es war mehr der Blick in ihr Gesicht nach dem Kuss. Plötzlich wusste ich, dass dieser Moment ein Wendepunkt in meinem Leben war. Ich konnte so schnell wie möglich das Weite suchen und so tun, als wäre es nie passiert. Oder ich konnte eine Möglichkeit in Erwägung ziehen, an die ich noch nie einen Gedanken verschwendet hatte: Heirat. Ich entschied mich für Ersteres, aber das hat nicht funktioniert. Das Zweite scheint jetzt meine einzige Chance zu sein.«
Aber wie machte man bloß einer verlobten Frau einen Antrag? Einer Frau, die sehr überzeugend so tat, als verabscheute sie ihn aufs Äußerste?
Die deprimierende Wahrheit war: Er hatte keine Ahnung.
Nicholas lächelte. Auf dem Gesicht der Frau, die ihm am Tisch gegenübersaß, zeichnete sich Entzücken ab. »Ich dachte, das hier könnte uns besser gefallen, als das Abendessen im Haus einzunehmen. Es ist wirklich ein herrlicher Abend, findet Ihr nicht?«
Caroline setzte sich in den Sessel, den er ihr anbot, und sank mit der ihr eigenen graziösen Leichtigkeit auf den Sitz. Die Röcke flatterten dabei leise, und sie zupfte sie mit einer schlanken Hand zurecht. Ihre Miene war etwas verwirrt, als sie die großen Blumenbouquets betrachtete, die in Vasen auf der Terrasse verteilt waren und die Luft mit dem zarten Duft ihrer Blüten erfüllten. Der Tisch war zudem feierlich mit einem makellos weißen Tuch, Silber und schimmerndem Porzellan gedeckt und nahe an die Stufen gerückt, damit sie über den Garten blicken konnten. Fast schien es, als gebe sich die Natur Mühe, seiner Verrücktheit die passende Bühne zu liefern, denn auch der Mond hing tief über den Bäumen. Die Luft war warm, und ein Windhauch strich über die Terrasse hinweg, der kaum mehr
war als ein angenehmes Flüstern. Dutzende Kerzen, die strategisch günstig in Kandelabern platziert waren, gaben ein ruhiges Licht.
Mrs. Sims - die sich für alles verantwortlich zeigte außer dem Mond und der sternenstrahlenden Perfektion des Abends - verdiente für diese Mühen eine hübsche Erhöhung ihrer Bezüge, beschloss er und nahm ebenfalls Platz. Er griff zur Weinflasche und goss ihnen ein. Essex besuchte er nicht oft, aber vielleicht würde er das Anwesen nach diesem Zwischenspiel häufiger nutzen. Zu seiner Überraschung mochte er die Stille. Als junger Draufgänger hatte es ihn belastet, so isoliert zu leben. Als Mann von bald dreißig Jahren veränderte sich seine Sicht der Dinge.
»Es ist wunderschön. Was für eine fabelhafte Idee.« Caroline blickte ihn von der anderen Seite des kleinen, vertrauten Tischs an. »Ich bin wirklich beeindruckt von Eurer Eingebung.«
Er war es, der beeindruckt war. Gewöhnlich favorisierte sie Grün- und Grautöne, aber heute Abend war sie noch betörender in ihrer indigoblauen Robe. Die Reinheit ihrer Haut hob sich von der dunklen Farbe ab, und die schwere Masse ihres kastanienbraunen Haars war schlicht hochgesteckt, was ihre klassische Schönheit unterstrich. Ein einzelner Saphir ruhte in dem Tal zwischen ihren üppigen Brüsten. Die Größe des Edelsteins war nicht protzend, doch zu einer perfekt ovalen Form geschliffen und wurde von einer goldenen Kette um ihren schlanken Hals gehalten.
Ob ihr Mann ihr das Geschmeide geschenkt hatte, fragte er sich mit einem für ihn ungewöhnlichen Stich der Eifersucht. Warum zum Teufel ihn das kümmerte, wusste er nicht genau. Aber er verspürte einen noch nie dagewesenen Drang, ihr etwas zu schenken, das noch herrlicher war.Vielleicht Rubinohrringe, denn diese Edelsteine würden den leichten Rotschimmer ihres
üppigen Haars betonen. Wenn sie nach London zurückkehrten, wollte er sich vielleicht einfach nach einem Geschenk für sie umschauen. Immerhin genoss er die Zeit mit ihr sehr. »Ihr seht bezaubernd aus«, sagte er. »Ich liebe diese Farbe an Euch.«
»Ihr seid auch recht ansprechend, aber ich danke Euch.« Ein leicht verschmitztes Lächeln umspielte ihren Mund. »Es wird Lord Manderville in Verlegenheit bringen, mit einem perfekten Abend im Mondlicht und einem Dinner auf der Terrasse zu konkurrieren.«
Wenn schon die Halskette ihn beunruhigte, so war der Gedanke, wie Derek ihr einfach nur am Tisch gegenübersaß, geradezu unangenehm. Er überspielte seinen Unmut so gut wie möglich
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