Eine unzüchtige Lady
als Nicholas’ lebhafte Anwesenheit schwand, fühlte sich das Haus unerträglich leer an. Ein kleiner Spaziergang im Garten zeigte ihr, dass es ihr nicht möglich war, länger zu bleiben. Es war vielleicht etwas tollkühn, wenn sie direkt nach seiner Rückkehr in London eintraf, denn das könnte die Aufmerksamkeit auf ihre gemeinsame Abwesenheit lenken. Aber sie konnte seine Einladung, als Gast in seinem Haus zu bleiben, unmöglich annehmen.
Das war die vernünftige Seite, aber es gab auch noch die Melancholie. Letztere hatte sie allzu oft in ihrem Leben verspürt.
Der Duke of Rothay hatte eine tiefgreifende Wirkung auf ihren gesunden Menschenverstand ausgeübt.
Von ihrem Platz aus konnte sie die Terrasse sehen. Dort hatten sie bei der ersten Begegnung gesessen und Tee getrunken - er hatte wie üblich zum Brandy gegriffen - und später zu unhörbaren Walzerklängen getanzt.
Vielleicht hätte sie zustimmen sollen, ihn wiederzusehen. Wenn sie das getan hätte, würde sie sich vielleicht nicht so … leer fühlen?
Ihre Hand krampfte sich um den feinen Stoff der Gardine.
Sie hatte diese Komplikation nicht kommen sehen. Aber nun hatte sie eine Verliebtheit für den teuflisch gutaussehenden und sinnlich begabten Duke entwickelt. Sie war nicht die Erste, der das passierte, und es war kaum anzunehmen, dass sie die Letzte blieb. Dennoch konnte sie nicht leugnen, wie schwer es ihr fiel, ihn zu vergessen.
Nichts an ihm war so, wie sie es erwartet hätte - außer seinen legendären Fähigkeiten im Bett. Sie hatte seinen gedankenvollen Blick nicht vorhersehen können, wenn sie seinen Besuch in den byzantinischen Moscheen diskutierten, von denen sie bisher nur gelesen hatte. Seine Nachsicht angesichts ihrer atemlosen Fragen, seine angenehme Reaktion auf ihre weltfremde und zurückhaltende Haltung in der guten Gesellschaft …
Er war kein Snob, dabei hätte er es bei seiner Abstammung und dem Vermögen durchaus sein dürfen. Sie hatte ihn eines Tages sogar draußen im Stall ertappt, wo er mit ihrem Kutscher Huw plauderte und auf einem Strohballen hockte, das Hemd offen stehend. Das Stroh an seinen Stiefeln zeigte, dass er geholfen hatte, den Stall seines unruhigen Hengstes auszumisten. Edelmann und Diener lachten miteinander, und Caroline verspürte eine Wärme für den Mann, die nichts mit seiner überzeugenden Kompetenz im Bett zu tun hatte.
Wenn sie ehrlich mit sich war - und das war nicht leicht -, dann wusste sie nur wenig über die Liebe. Ihr kalter Vater hatte dieses Gefühl bestimmt nicht in ihr geweckt, ihre Tante war weder warm noch mütterlich. Und Edward war ein Albtraum gewesen. Vielleicht war das ihr Problem: Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte jemand sie mit Achtung und Zärtlichkeit behandelt. Noch wichtiger aber war, dass sie für Nicholas eine Person mit eigenen Gedanken und Gefühlen war. Im Bett und auch außerhalb hatten sie über alles geredet, von Politik bis zu Geschichte, und wenn sie nicht seiner Meinung war, interessierte ihn, warum
sie so dachte. Die Vorstellung einer freundschaftlichen Auseinandersetzung war ihr neu. Nicholas war trotz seines beeindruckenden Selbstvertrauens und seines scharfen Verstands nicht der egozentrische Schuft, den sie erwartet hatte. Das verwirrte sie, und sie war bedauerlicherweise dafür empfänglich, was ihr auch nicht weiterhalf. Das Spiel, in dem er so geübt war, blieb ihr fremd. Weil sie ein Neuling darin war, hatte sie das Undenkbare getan und sich in ihn verliebt.
Zumindest vermutete sie, dass dies die Krankheit war, unter der sie litt. Nach nur wenigen Tagen. Obwohl sie wusste, dass er sich besonders anstrengte, um sie zu verführen.
Sie fühlte sich dumm, unbeholfen und weltfremd. Selbst wenn er mit ihr eine Affäre eingehen wollte, bedeutete das nicht, dass sie für ihn mehr als eine ungewöhnliche Ablenkung von seiner üblichen Kost war, die aus erfahrenen Liebhaberinnen bestand. Sie war pragmatisch genug, um das zu wissen.
»Mylady, ich glaube, es ist alles bereit.«
Caroline drehte sich erschrocken um, als Mrs. Sims sie aus ihrer Träumerei riss. »O ja, danke.«
Die Haushälterin nickte. Wie immer war sie ordentlich gekleidet und trug eine gestärkte Schürze über ihrem einfachen dunklen Kleid. Das ergraute Haar war zu einem festen Knoten aufgesteckt. »Es war sehr schön, Euer Gnaden hier zu haben, wenn ich das so sagen darf.«
Es fiel ihr leicht, auf diese Bemerkung ehrlich zu antworten. »Er ist ein sehr charmanter Mann.«
»Das ist er,
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