Eine unzüchtige Lady
müsstest mich heiraten. Stattdessen hast du gefühlskalt eine andere Frau benutzt, um deine Lust zu befriedigen. Richtig?«
Er seufzte und fuhr mit den Fingern durch sein volles Haar. Wie es ihn noch attraktiver wirken ließ, wenn es zerzaust war, blieb ihr ein Rätsel. »So formuliert klingt es schlimm genug. Du willst es mir nicht einfach machen, stimmt’s? Und wie ich schon sagte, ich habe keine Befriedigung gefunden.«
»Gibt es einen Grund, warum ich es dir leicht machen sollte?«
»Ich habe mich entsetzlich verhalten, vermutlich also nicht.«
Ihr wurde wieder bewusst, dass sie halbnackt vor ihm stand, und sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Zumindest in dem Punkt sind wir uns einig.«
»Annie, ich liebe dich.«
Was hatte er gerade gesagt?
Ihr stockte der Atem.
Verdammt soll er sein, dachte sie. Er darf mir das hier nicht antun.
Aber er tat es. Um Himmels willen, er tat genau das.
»Ich liebe dich«, wiederholte er leise. »Ich kann an nichts anderes denken, und es treibt mich ehrlich gesagt in den Wahnsinn. Ich brauchte ein Jahr, und es bedurfte deiner verdammten Verlobung, dass ich mir eingestand, wie tief meine Gefühle für dich sind. Aber ich schwöre dir, sie sind aufrichtig.«
Blind tastete sie sich zu ihrem Toilettentisch vor und sank auf den Hocker. Zitternd holte sie tief Luft, ehe sie fragte: »Hast du deshalb vor den Augen aller eine Wette platziert, mit der geklärt werden soll, ob du der beste Liebhaber in England bist? So eine Aufschneiderei kommt wohl kaum von einem Mann, der nur einer Frau treu sein will.«
»Im Gegenteil. Es ist genau die Art idiotisches Verhalten, die durch dieses ruchlose Gefühl hervorgerufen wird, das ich für dich empfinde, meine Liebe.« Er lächelte reuig. »In diesem Fall wurde es durch die Ankündigung deiner Verlobung hervorgerufen, die ich in der Zeitung las. Lange habe ich versucht, nicht nur meine Gefühle in den Griff zu bekommen, sondern auch den Gedanken, dass wir einander so fremd geworden waren. Und dann hatte ich schwarz auf weiß den Beweis, dass ich nichts gegen dieses Probleme tun konnte. Wenn dann noch eine ausreichend große Menge Claret ins Spiel kommt, kann ein Mann unter Umständen etwas so Dummes tun.«
Das konnte er nicht ernst meinen. Bitte lass nicht zu, dass ich auch nur ein Wort von dem glaube, was er sagt. »Es war dumm«, murmelte sie.
Er machte einen Schritt nach vorne. »Ebenso dumm wie die Idee, in der Dunkelheit eine Mauer hinaufzuklettern und durch ein Fenster zu steigen wie der Held in einem Liebesroman.«
Auch wenn sie den Gedanken von sich schob, er könnte zu
ihr treten und sie berühren, wollte ein verräterischer Teil von ihr genau das. Nur noch drei Schritte, höchstens vier … Dann könnte er sie wieder in den Armen halten und …
Sie drückte ihr Rückgrat durch und erinnerte sich nochmal an den schrecklichen Betrug vor einem Jahr und das daraus resultierende Elend. »Komm nicht näher. Bitte … geh einfach.«
Er verharrte mit herunterhängenden Armen. Die Linien seiner Gesichtszüge wirkten in dem flackernden Licht wie in Stein gemeißelt. »Annie.«
Sie ignorierte sein heiseres Flehen. Nie im Leben war ihr etwas so schwer gefallen. »Bitte.«
Wenn er sie einmal berührte, nur ein einziges Mal, würde sie sich in ihm verlieren.
Zu ihrem blanken Entsetzen rann eine Träne über ihre Wange. Heiß bahnte sie sich langsam ihren Weg und tropfte auf ihre Hände, die sie so fest in ihrem Schoß ballte, dass die Knöchel schmerzten.
Wie hatte sie nur glauben können, nie wieder eine Träne um ihn zu vergießen? Er wagte es, sie nach all den Beleidigungen auch noch zur Lügnerin zu machen.
Einen Moment lang stand er einfach da. Zu ihrer Überraschung nickte er schließlich und gehorchte ihr ohne ein weiteres Wort. Er schlüpfte aus dem Fenster und verschwand.
Sie war allein.
Wenn er gestürzt wäre und sich das Genick gebrochen hätte, dann wäre es zumindest aufgrund seines Elends geschehen, überlegte Derek, während er die zwei Blocks zu seinem eigenen Stadthaus lief. Aber es war nichts passiert. Im Übrigen war sein brillanter Plan nur wegen einer einzigen Träne gescheitert.
Er ertrug es nicht, sie zum Weinen zu bringen.
Er hatte viele Fehler - zu viele, um sie vollständig aufzuzählen
-, aber er war nicht grausam. Der Anblick von Annabels Gesicht sagte ihm alles, was er wissen musste. Er wusste, was sie seinetwegen durchgemacht hatte. Und wenn er weiter gegangen wäre und sie verführt
Weitere Kostenlose Bücher