Eine verboten schoene Frau
Vater war in der Kunstwelt sehr angesehen. Und er hatte wirklich einen tadellosen Geschmack und ungeheuren Scharfsinn. Sie müssen ihn sehr vermissen.“
Avery spürte den Stich des Verlustes in ihrer Brust, aber er war nicht mehr so lähmend wie zuvor. Als wäre die Spitze stumpfer geworden. Vermisste sie ihren Vater weniger, weil sie sich in Marcus verliebt hatte? Oder lag es daran, dass sie endlich den Mut gefunden hatte, sich von dem Besitz zu trennen, mit dem sie sich an Forrest Cullen gebunden gefühlt hatte?
„Ja, das tue ich.“
Ann berührte sie kurz am Arm, als würde sie genau verstehen, was Avery meinte. Bemüht das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, gratulierte sie Ann zu Waverlys letztem Erfolg.
„Ja, das D.B.-Dunbar-Manuskript zu bekommen war wirklich ein toller Coup für uns“, stimmte Ann zu. „Traurig nur, dass Der letzte Ninja jetzt auch sein letztes Werk bleiben wird.“
„Er ist Lehrer gewesen, nicht wahr? Kein Wunder, dass er den Geschmack seiner Zielgruppe so gut treffen konnte.“
„Er hat, glaube ich, an einer Privatschule in D. C. unterrichtet. Und ja, er hat den richtigen Stoff zur richtigen Zeit geschrieben. Alle seine Bücher haben es auf die Bestsellerliste der New York Times geschafft.“
„Beeindruckend. Der Unfall muss seine Familie sehr erschüttert haben.“ Avery erwähnte den Flugzeugabsturz vom letzten Jahr.
„Nun, nicht so erschüttert. Sein einziger Erbe, ein entfernter Cousin glaube ich, hat seinen gesamten Besitz aufgelöst.“
„Gut für Waverlys“, kommentierte Avery trocken.
„Allerdings. Das Interesse für die Auktion nächsten Monat ist jetzt schon riesig.“
Ihr Gespräch wandte sich anderen Themen zu, bevor Ann sich schließlich entschuldigte. Avery beobachtete, wie sie elegant durch den Raum schritt, ein Teil des Ganzen und doch leicht über dem Geschehen stehend. Nach all der negativen Presse, die Ann Richardson erhalten hatte, war Avery erleichtert, feststellen zu können, dass sie eine offene und warmherzige Frau war. Die wilden Gerüchte, Ann würde mit gestohlenen Artefakten handeln, konnten einfach nicht wahr sein.
Eine weitere Welle von Müdigkeit überfiel Avery, und sie schaute sich nach einem ruhigen Platz zum Sitzen um, wo sie auf Marcus warten konnte, der am anderen Ende des Raums in ein Gespräch vertieft war. Während sie sich umblickte, hob er den Kopf und ihre Blicke trafen sich. Sofort lag Besorgnis auf seinem Gesicht, und er verließ die Gruppe, kam quer durch den Raum zu ihr.
„Alles in Ordnung? Du bist ja ganz blass.“ Er legte ihr einen Arm um die Taille.
Dankbar lehnte sie sich an ihn. „Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Sonst bin ich nicht so schnell geschafft von einer Party.“
„Ich bringe dich nach Hause.“
„Nein, schon gut. Wenn nötig, nehme ich mir ein Taxi. Du kannst die Party doch noch nicht verlassen, sie ist wichtig für dich.“
„Du bist wichtiger.“
Seine Worte ließen ihr Tränen in die Augen steigen. „Danke.“ Sie lächelte ihn an. „Sollen wir dann unsere Abschiedsrunde drehen?“
„Ich sage nur eben Ann Bescheid, dann kann sie antworten, wenn jemand fragt. Und ich bin ja sowieso morgen wieder im Büro.“
Es dauerte nicht lange, bis er wieder an ihrer Seite war und sie hinaus zu einer wartenden Limousine führte.
Avery lachte. „Was ist so falsch an einem Taxi?“
„Ann meinte, wir sollen ihren Wagen nehmen, und da wollte ich nicht widersprechen.“
Sie nahmen auf der Rückbank Platz. Marcus legte den Arm um Averys Schultern und zog sie nah an sich. Sie schmiegte sich in seine Wärme und fühlte sich sicher, geborgen und geschätzt. Marcus musste sie wecken, als sie bei ihm ankamen, und er half ihr besorgt ins Bett, bevor er hinter sie schlüpfte. Als sie wieder in den Schlaf hinüberglitt, spürte sie noch seinen Arm um ihre Taille und seinen Kuss zwischen ihren Schulterblättern.
Am nächsten Morgen war Marcus erstaunt, dass auch Avery bereits aufgestanden war, als er aus dem Bad kam. Sie sah schon nicht mehr so blass aus wie am Abend zuvor, aber unter ihren Augen lagen immer noch Schatten.
„Sicher, dass du schon aufstehen musst?“ Er knöpfte sein hellblaues Hemd zu und band sich dann eine Krawatte um.
„Natürlich. Mir geht’s gut. Und wenn du den ganzen Tag auf der Arbeit bist, dachte ich, gehe ich in die Met. Dort gibt es einen Vortrag über Galerien, den ich gerne hören würde.“
„Ich will ja nur nicht, dass du dich überanstrengst.“ Und das
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