Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
verschwanden, um sich zu erleichtern. Emma blieb am Rand der Bäume stehen und beobachtete das sich ihr bietende Schauspiel aus weit aufgerissenen Augen und mit einer Mischung aus Belustigung und Entsetzen. Sie wusste nicht, ob sie kichern oder sich mit den Händen die Augen zuhalten sollte. Selbst in verlottertem Zustand nach einer durchzechten Nacht war ihr Vater immer sauber gekleidet und mit makellos frisiertem Haar am Frühstückstisch erschienen. Sein Geldbeutel war vielleicht leer, und seine Augen waren blutunterlaufen von den Ausschweifungen der vergangenen Nacht, aber seine Weste war immer faltenlos und sein Halstuch ordentlich gebunden.
Berücksichtigte sie die Menge Whisky, die vor ihren Augen gestern hier konsumiert worden war, war sie überrascht, dass irgendeiner von ihnen vor dem Mittagessen aufstand.
Ein schlaksiger Junge mit einem unordentlichen Schopf safrangelber Haare unterbrach sein Gähnen und betrachtete sie neugierig. Emma klammerte sich an Jamies Ellbogen, plötzlich von Verlegenheit erfasst. »Was ist mit meinem Ruf? Wenn Ihre Männer uns gemeinsam aus dem Wald zurückkommen sehen, werden sie da nicht das Schlimmste annehmen?«
»Das könnten sie«, gestand Jamie mit einem nachdenklichen Ausdruck in den Augen. »Aber nur, wenn wir es zulassen.«
»Das verstehe ich nicht. Wie sollen wir sie davon abhalten?«
Er zuckte die Achseln. »Was wäre wohl besser geeignet, Ihren Ruf zu schützen, als Ihnen die Möglichkeit zu geben, ihn zu verteidigen?«
»Gegen was denn?«
»Gegen das hier«, sagte er und ließ sie seine strahlend weißen Zähne sehen, als er träge grinste, worauf ihr Herz wie wild zu pochen begann. Ehe sie seine Warnung beachten konnte, hatte Jamie schon einen Arm um ihre Mitte geschlungen und sie über seinen anderen Arm nach hinten gebeugt, seinen Mund auf ihren gesenkt und küsste sie mit einem Hunger, der ihr den Atem raubte.
Selbst durch den Schleier aus Schreck und Verlangen musste ihm Emma eines zugutehalten: Es war genau die Sorte Kuss, die ein Schurke der Frau rauben würde, die er entführt hatte. Die Sorte Kuss, die ein Pirat seiner Gefangenen aufzwang, ehe er sie nötigte, über die Planke zu gehen. Die Sorte Kuss, die der Herrscher der Unterwelt Persephone aufgedrängt hatte, bevor er sie in sein Reich verschleppte und sie mit dunkleren und noch unwiderstehlicheren Genüssen bekannt machte.
Als er ihr schließlich einen zitternden Atemzug gestattete, stand sie gefährlich dicht davor, die Anwesenheit seiner Männer vollkommen zu vergessen. Und ihren eigenen Namen auch.
»Schlagen Sie mich«, flüsterte er an ihren Lippen.
»Wie bitte?«, keuchte sie.
»Schlagen Sie mich«, wiederholte er. »Und lassen Sie es überzeugend aussehen.«
Er lehnte sich zurück, ein selbstzufriedenes Lächeln auf den Lippen, und in diesem Moment wünschte sich Emma nichts mehr, als ihn bei den Ohren zu packen und seinen Mund zurück auf ihren zu ziehen.
Stattdessen holte sie mit der Faust aus und traf ihn mit solcher Wucht am Kinn, dass er wankte.
Halb rechnete sie damit, dass er sein Versprechen brach, ihr nichts zu tun, indem er sie mit einem Hieb seiner gewaltigen Fäuste bewusstlos schlug. Aber er hob nur die Augenbrauen; mit verwunderter Miene rieb er sich vorsichtig das Kinn.
Emmas Stimme nahm einen schrillen Unterton an, der dazu gedacht war, jedes Trommelfell in Hörweite zu erreichen. »Ich weiß nicht, was Sie auf den Gedanken bringt, ich würde einen Unhold wie Sie küssen wollen. Himmel, ich wäre bereit zu wetten, ihr Schotten behandelt eure Schafe mit mehr Respekt als eure Frauen!« Sie drehte sich halb um, sodass Jamies breite Schultern den Männern die Sicht auf ihr Gesicht versperrten, lächelte zuckersüß und fügte leise hinzu: »War das überzeugend genug?«
Das rätselhafte Leuchten in seinen Augen vertiefte sich allmählich zu einem bewundernden. »Eine damenhafte Ohrfeige hätte auch gereicht«, murmelte er. Er beugte sich drohend zu ihr und erklärte mit dröhnender Stimme: »Sie sollten wissen, dass unsere Schafe nicht geküsst werden müssen, wenn wir ihnen den Hof machen. Ein schlichter Klaps auf den Hintern reicht völlig.«
Ersticktes Gelächter kam von einem der Männer. Alle hatten ihre Bemühungen fallen lassen, so zu tun, als müssten sie sich kratzen oder pinkeln gehen. Sie standen mit offenem Mund und großen Augen da und belauschten die Szene zwischen ihr und ihrem Anführer schamlos.
Emma stemmte die Hände in die Hüften und begann
Weitere Kostenlose Bücher