Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
sich dich nur an! Du gehörst hier nicht her! Du bist nicht mehr als eine kleine Engländerin, der es an dem Verstand mangelt, mit dem der liebe Herrgott Pilze ausgestattet hat.«
Sie schaute ihn blinzelnd an, und ihre rauchig blauen Augen zeigten einen seltsam gelassenen Ausdruck, die losen Strähnchen, die ihrem Knoten entschlüpft waren, wehten leise in der Brise.
»Man hätte dich niemals ohne Kindermädchen und bewaffneten Leibwächter aus dem Schlafzimmer lassen dürfen, von England ganz zu schweigen! Macht sich denn dein liebender Bräutigam nicht das geringste bisschen Sorgen darum, was dir gerade passiert? Himmel, wenn du meine Frau wärst …«
Seine Worte hallten durch die Ruinen wie der Donner eines Frühlingsgewitters, gefolgt von einer Stille, die derart durchdringend war, dass man eine Schmetterlingsraupe hätte über ein Blatt kriechen hören können. Eine alberne Hitzewelle begann Jamie über den Hals ins Gesicht zu steigen, als er merkte, dass nicht nur Emma, sondern alle auf dem Hügel zusammen die Luft anhielten und darauf warteten, dass er zu Ende sprach.
»Was, Jamie?«, erkundigte sich Emma schließlich leise, und ihre Verwendung seines Vornamens traf ihn härter als eine Ohrfeige. »Wenn ich deine Frau wäre, was genau würdest du dann tun?«
Unfähig, etwas auf die kühne Herausforderung in ihren Augen zu erwidern, kehrte ihr Jamie den Rücken zu, kehrte allen den Rücken zu. Er ging ein paar Schritte zu dem Felsen über dem Abgrund und stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, und blickte in den grauen Nebelschleier, der über den Mooren in der Ferne lag. Das war der Moment, als er den am wenigsten erwarteten Laut hinter sich hörte.
Emma lachte.
Langsam drehte er sich um und sah, wie seine Männer noch weiter zurückwichen, als fürchteten sie einen neuerlichen Ausbruch seines Temperaments, dieses Mal aber noch verheerender als eben.
»Hast du es noch nicht begriffen?«, fragte Emma, und in ihren Augen funkelten Tränen. Seine Männer hielten sie vielleicht für Lachtränen, aber er wusste es besser. »Du bist hier der Angeschmierte. Der Earl würde keine Handvoll Schilling ausgeben, um mich zu retten. In seinen Augen besitze ich keinen Wert. Ich war nie mehr für ihn als ein fruchtbarer Bauch, in den er seinen Samen pflanzen kann. Und der Himmel allein weiß, davon stehen zwischen hier und London mehr als genug zum Verkauf.«
Sie schüttelte den Kopf, und ihr heiseres Lachen verspottete sie beide. »Du hast meine arme Familie gequält und mich halb zur Hölle und wieder zurück geschleift – für nichts und wieder nichts. Er wird dir niemals geben, was du von ihm willst. Es kümmert ihn nicht, was du mir antust. Daher besteht auch nicht länger die Notwendigkeit für dich, den Gentleman zu spielen.« Dieses Mal war sie es, die zu ihm kam. Sie blieb so dicht vor ihm stehen, dass er an ihrem zarten Hals den Puls wild klopfen sehen konnte, das Beben ihrer Unterlippe, während sie den Kopf in den Nacken legte, um ihm in die Augen zu sehen. »Also fang an, Jamie Sinclair. Mach, was du willst.«
Einen finsteren Moment lang war Jamie in Versuchung geführt, genau das zu tun. Sie bei der Hand zu fassen und mit sich in die Ruinen zu ziehen, wo er ihr zeigen konnte, was genau er mit ihr anstellen würde, wenn sie seine Frau wäre.
Alles würde er tun, wenn sie seine Frau wäre.
»Jamie?« Bons Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Jamie blickte Emma weiter in die Augen, wie gebannt von der unvorhergesehenen Stärke ihrer Leidenschaft.
»Jamie?«, sagte Bon noch einmal, dieses Mal aber drängender.
»Was, zur Hölle, willst …« Jamie fuhr herum, gerade rechtzeitig, um Graeme zu Fuß zwischen den Bäumen auf die Lichtung wanken zu sehen.
Kapitel 22
Graeme hielt sich die Rippen. Eines der Augen des Jungen war zugeschwollen, und eine hässliche Beule verunzierte die Haut an seinem Kinn und die fest zusammengebissenen Kiefer.
Mehrere der Männer eilten zu ihm, um ihm zu helfen, aber Jamie erreichte ihn als Erster. Er schlang einen Arm um den Oberkörper des Jungen, unmittelbar bevor diesem die Beine den Dienst versagten.
»Ich wäre schon früher hier gewesen …«, keuchte er und stützte sich schwer auf Jamie. »Das verdammte Pferd hat vor ein paar Meilen ein Hufeisen verloren.«
Während seine Männer sie umringten, ließ Jamie Graeme vorsichtig zu Boden gleiten, in eine halbaufrechte Stellung. Schuldgefühle plagten ihn. Er hätte wissen müssen, dass Hepburn keine
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