Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
Skrupel haben würde, auf den Überbringer der Botschaft zu schießen. Er hätte Bon schicken sollen – jemanden, der so gerissen wie der Earl war, jemanden, der die Schlechtigkeit des alten Bussards nicht unterschätzt hätte.
»Was haben die Bastarde dir angetan?«, verlangte Jamie zu wissen und zuckte mit Graeme zusammen, als er mit der Hand vorsichtig den misshandelten Brustkorb des Jungen abtastete.
»Nichts, das ich nicht überleben werde.« Graeme grinste ihn an, und seine aufgeplatzte Lippe verlieh seinem Lächeln etwas Verwegenes. »Habe selbst ein paar hübsche Treffer gelandet, jawohl. Hab dafür gesorgt, dass die feinen Lakaien des Earls es sich das nächste Mal zweimal überlegen, bevor sie sich mit Graeme MacGregor anlegen.« Er fasste in seine Jacke und zog mit leicht bebender Hand einen Lederbeutel hervor. »Ich habe genau getan, was du gesagt hast, Jamie. Ich habe dem alten Hepburn den Brief gegeben und er mir im Gegenzug das hier, damit ich es dir bringe.«
Jamie nahm den Beutel, und es gelang ihm, selbst ein gequältes Lächeln aufzusetzen. »Wir sind alle stolz auf dich, mein Junge. Und ich ganz besonders.«
Als Jamie aufstand, nahm Lemmy seinen Platz ein, bettete Graemes Kopf auf seinen Schoß und war dabei so vorsichtig, wie man es bei seinen riesigen Händen nie für möglich gehalten hätte.
Jamie sah auf die Nachricht des Earls. Sie war nicht auf billiges Papier geschrieben, sondern stand auf einem dicken Blatt sahnig weißen Büttenpapiers, das ordentlich gefaltet und mit einem Klecks karmesinrotem Wachs und dem Siegel der Hepburns verschlossen war.
Unter den wachsamen Blicken seiner Männer brach er das Siegel und faltete das Blatt vorsichtig auseinander.
Obwohl er nie lesen gelernt hatte, hüpfte Bon neben ihm auf und nieder, in dem verzweifelten Versuch, ihm über die Schulter zu schauen. »Spann uns nicht länger auf die Folter, Junge. Was steht da?«
Jamie benötigte nicht lange, die wenigen knappen Worte zu entziffern, die auf das Blatt gekritzelt waren. Er faltete es wieder mit größter Sorgfalt zusammen. Er hatte so lange von diesem Moment geträumt, sich das Triumphgefühl ausgemalt, das ihn erfüllen würde.
Aber als er den Blick hob und Emma in die fragenden Augen sah, verspürte er nichts als einen schmerzlichen Stich des Bedauerns. »Er geht auf unsere Forderung ein. Das Lösegeld wird morgen überbracht.«
Es gelang ihm, Emmas Blick nur einen flüchtigen Moment standzuhalten, bevor sie sich umdrehte und wortlos in den Ruinen verschwand.
Emma saß auf dem Rand einer runden Steinplattform, die einmal das Fundament des Glockenturms des Klosters gewesen war, die Arme um ihr angewinkeltes Bein geschlungen. Das Dach und das meiste von den Mauern des Gebäudes war schon vor langer Zeit verfallen, sodass sich die Plattform unter freiem Himmel befand und nur durch eine schmale Steintreppe zu erreichen war, die vom Regen und von der Zeit glatt geschliffen worden war.
Der Wind, der sonst so heftig an diesem Berg wütete, hatte sich gelegt, sodass nur noch ein laues Lüftchen wehte, das mit ihren losen Haaren im Nacken spielte. Der Mond hing über dem höchsten Gipfel des Berges wie eine glühende Perle, zweimal so groß wie in Lancashire, aber immer noch weit außerhalb ihrer Reichweite.
Ein loser Kieselstein kullerte über den Rand der Steinplatte.
Sie drehte sich um, unfähig, das verräterische Aufflackern von Hoffnung in ihrem Herzen verhindern zu können. Doch es war nur Bon, der aus den Schatten oben auf der Treppe trat. Er blieb am Rand stehen, ungewiss, wie sein Empfang aussehen würde.
»Machen Sie sich keine Sorgen, Bon. Es ist sicher«, beruhigte sie ihn. »Ich bin nicht bewaffnet.«
Er stellte sich neben sie. Sein Grinsen wirkte in ihren Augen nicht länger bedrohlich, sondern einnehmend. »So wie Sie heute mit Pfeil und Bogen umgegangen sind, das wette ich, wird das Herz eines Mannes nie ganz sicher sein, solange Sie in der Nähe sind.«
»Vielleicht ist das auch der Grund, warum Ihr Cousin so erpicht darauf ist, mich loszuwerden«, antwortete Emma leichthin und hoffte, man konnte ihr ihre Bitterkeit nicht anhören. »Warum sind Sie nicht unten bei ihm und feiern mit? Er muss außer sich vor Freude sein. Schließlich hat der Earl zugesagt, ihm seinen Herzenswunsch zu erfüllen.«
»Er will mir und den Jungs immer noch nicht sagen, was es ist. Und es passt so gar nicht zu Jamie, vor mir Geheimnisse zu haben.«
»Das hier könnte das erste Mal sein, dass er
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