Eine Versammlung von Krähen (German Edition)
und wackelte mit den Fingern. Vor Stephens Augen streckten sich die Fingernägel, wuchsen und verwandelten sich in lange schwarze Krallen. Stephen blinzelte ungläubig. Der Mann lachte heiser. Das Geräusch hörte sich wie im Wind raschelndes Laub an.
»Soll mir das etwa Angst einjagen?« In Wirklichkeit tat es das, doch Stephen hatte nicht vor, sich das anmerken zu lassen.
»Nein«, entgegnete der Mann ruhig. »Es soll dir keine Angst einjagen. Es soll dich ablenken.«
»Was meinst du da…«
Der Mann beugte sich jäh nach vorne und versetzte Stephen einen Schlag knapp unterhalb des Brustkorbs. Stephen grunzte, mehr vor Überraschung angesichts des unerwarteten Treffers als vor Schmerzen. Tatsächlich tat es kaum weh. Er verspürte lediglich eine Kälte, die sich rasant vom Oberkörper bis hin zum Bauch ausbreitete. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
»Das«, sagte der Fremde, »soll dir Angst einjagen.«
Der Mann hielt den Arm immer noch ausgestreckt. Stephen versuchte, sich von ihm zu lösen, und stellte entsetzt fest, dass es ihm nicht gelang.
Erschrocken unternahm er einen weiteren Anlauf. Dabei hustete Stephen und schmeckte Blut im Rachen. Dann zog der dunkle Mann den Arm zurück und hob die Hand. Mit der Faust umklammerte er etwas Graues und Rosafarbenes. Die Finger glänzten feucht.
Das sieht aus wie … rohes Fleisch? Woher hat er es?
Stephen wurde bewusst, dass ihm etwas Warmes und Nasses seitlich am Kinn hinablief. Er presste die Lippen aufeinander. Sie fühlten sich mit einem Mal trocken an, und die Kälte begann, auch seine Arme und Beine zu erfassen.
»Ich bin nicht sicher, was das ist«, sagte der Mann in Schwarz und runzelte die Stirn, während er die grausige Trophäe in seiner Hand betrachtete. Schulterzuckend warf er sie an den Straßenrand. Sie schlug mit einem schmatzenden Laut im Schotter auf und kugelte ins hohe Gras. »In euch Menschen steckt zu viel Nutzloses. Es ist ein Wunder, dass ihr es je aus dem Meer herausgeschafft habt. Als Spezies seid ihr so unglaublich minderwertig. Andererseits wurdet ihr ja nach seinem Ebenbild erschaffen. Und unsere Art hat das Pech, sich nach eurem Ebenbild zu manifestieren statt nach unserem eigenen. Einst gingen wir aus euch hervor, verstehst du? Nun sind wir etwas Besseres. Aber zerbrich dir nicht deinen begrenzten Verstand darüber.«
Ohne Vorwarnung versetzte er seinem Gegner einen weiteren Schlag. Blut schoss aus Stephens Mund und spritzte auf den Mantel des Fremden. Diesmal verspürte er Schmerzen – stechende, überwältigende Qualen, die durch ihn hindurchzuckten, als hätte er einen elektrischen Schlag kassiert. Die Empfindung loderte auf, dann verblasste sie so jäh, wie sie eingesetzt hatte, und wurde von Kälte verdrängt. Stephen würgte, als der Mann abermals die Hand hob und eine weitere Trophäe präsentierte.
»Das ist natürlich dein Herz. Etwas einfacher zu erkennen als das vorherige Exponat.«
Stephen kippte rückwärts und nahm kaum noch wahr, dass sein Kopf auf den Asphalt schlug. Er hörte das Geräusch, konnte sich aber nicht dazu aufraffen, über seine Herkunft nachzudenken. Benommen kam ihm in den Sinn, dass vielleicht jemand Eier über einem Herd in die Pfanne schlug.
»Und das sind deine Eingeweide. Ich kann deine Zukunft aus ihnen ablesen, indem ich sie nur betrachte. Hm. Deine Zukunft sieht nicht allzu rosig aus. Hier, halt mal.«
Der Angreifer drückte Stephen etwas Warmes, Schleimiges in die Hand, aber er konnte nicht erkennen, worum es sich handelte. Das Letzte, was Stephen bewusst wahrnahm, war, dass sich der Mann in Schwarz hinkauerte und über sein Gesicht beugte. Dann öffnete sich der entsetzliche, grausame Mund des Fremden weit, und Stephen Poernik starb, noch ehe er einen Todesschrei ausstoßen konnte.
Vier
»Du beschissenes Arschloch!«
Marsha hob den Arm, um Donny zu schlagen, aber er fing ihr Handgelenk ab und drückte zu – leicht genug, um sie nicht zu verletzen, trotzdem fest genug, um sie davon abzuhalten. Ihr Zorn schlug sich sowohl in ihrem Gesichtsausdruck als auch in ihrer Stimme deutlich nieder. Letztere war laut genug, um sogar das Geheul der Hunde zu übertönen.
»Beruhig dich«, sagte er gefasst und versuchte, sie zu beschwichtigen. Marsha stampfte mit dem Absatz auf seinen Fußrücken. Es tat weh, sogar durch das dicke Leder seiner Stiefel. Mit einem Aufschrei ließ Donny ihr Handgelenk los, und Marsha löste sich von ihm. Noch bevor er reagieren konnte, trommelte sie ihm gegen
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