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Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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die Brust. Verwirrt schüttelte Donny den Kopf und packte diesmal gleich beide Handgelenke.
    »Hör auf damit, Marsha. Was zum Geier ist bloß los mit dir?«
    »Mit mir?« Ihr Tonfall schlug von Zorn in Empörung um. »Was ist los mit dir? Wolltest du wirklich schon wieder verschwinden, ohne irgendwas zu sagen? Genau wie damals?«
    Donny öffnete den Mund, um zu antworten, doch alles, was er zustande brachte, war ein ersticktes Seufzen. Er ließ Marshas Handgelenke los. Seine Arme sackten schlaff an den Seiten herab. Dann starrte er auf den Asphalt, weil er nicht die Kraft aufbrachte, sich ihrem verletzten, anklagenden, finsteren Blick zu stellen.
    »Du hast recht«, murmelte er. »Ich bin ein Arschloch, und es tut mir leid. Ich dachte nur, dass …«
    »Was? Dass du dich wieder davonmachst, genau wie nach dem Schulabschluss? Dass du mich noch ein wenig mehr aus der Spur wirfst? Wird es von jetzt an immer so sein, Donny? Jedes Mal, wenn ich gerade über dich hinweg bin und anfange, mir ein neues Leben aufzubauen, kommst du zurück in die Stadt spaziert, spielst ein bisschen mit mir und machst dich dann wieder aus dem Staub?«
    »Nein. Ich hab’s dir schon gesagt, so ist es nicht.«
    »Na ja, dann erklär mir, wie es ist.«
    Das Heulen der Hunde verstummte, aber keiner der beiden bemerkte es.
    »Ich wollte dir schon beim ersten Mal nicht wehtun. Aber diese Stadt, Marsha … Ich ertrage sie einfach nicht länger. Schon als wir aufgewachsen sind, habe ich mich hier nicht wohlgefühlt. Das weißt du. Und du wolltest aufs College gehen, und ich kam mit der Vorstellung nicht klar, dass du abhaust und mich hier alleine lässt.«
    »Also hast du beschlossen, mir zuvorzukommen? Du bist weggerannt, hast dich bei der Army verpflichtet, und ich bin diejenige gewesen, die stattdessen hier festhing.«
    »So war das nicht geplant. Du wolltest doch Tierärztin werden. Ich war davon ausgegangen, dass du spätestens im Herbst in Morgantown bist.«
    »Das hatte ich auch vor, bis du gegangen bist. Dann habe ich statt der Uni mehrere Monate mit Therapien, Seelenklempnern und Drogen verbracht. Ich hab mein Diplom gegen eine Großpackung Prozac eingetauscht.«
    »Ich wollte nicht, dass du …«
    »Was? Dass ich versuche, mich umzubringen? Du kannst es nicht mal aussprechen, hm?«
    Sein Schweigen war Antwort genug.
    »Tja, genau das ist aber passiert, Donny. Ob du es wahrhaben willst oder nicht. Ich habe versucht, mir das Leben zu nehmen.«
    »Und ich hab dir schon mal gesagt, dass es mir leidtut, Marsha.« Er hob den Kopf und begegnete ihrem Blick. »Du weißt gar nicht, wie leid es mir tut. Ich habe dich geliebt.«
    »Ich dich auch, du Arschloch. Und wenn du mich wirklich geliebt hättest, wärst du nicht wortlos abgehauen, verdammte Scheiße. Das ist das Schlimmste. Erinnerst du dich noch daran, als wir Kinder waren. Ricky Gebhart und du, ihr habt mal einen ganzen Sommer damit verbracht, Strumpfbandnattern zu fangen und in einen 20-Liter-Eimer zu stecken.«
    »Ja, ich erinnere mich daran.«
    »Und dann habt ihr Arschgeigen den Eimer über meinem Kopf ausgekippt. Ich war so wütend auf dich, und du bist mir den Rest des Jahres hinterhergelaufen und hast dich jeden Tag mehrmals dafür entschuldigt. Weil dir etwas an mir lag. Aber nach all den Jahren, in denen wir zusammen groß geworden sind – ganz zu schweigen von unserem angeblichen Verliebtsein –, lag dir nicht mal mehr genug an mir, um dich anständig zu verabschieden.«
    »Ich habe dir Briefe geschrieben.«
    Marsha verstummte kurz. »Wann?«
    »Einmal im Ausbildungslager. Ein paarmal im Irak. Einmal, während wir in Kuwait auf Fronturlaub waren. Und ich hab versucht, dich aus Italien anzurufen, nur dachte ich nicht an die Zeitverschiebung, und es war hier mitten in der Nacht. Ich hab deinen Dad aus dem Bett geholt.«
    »Davon hat er mir nie was erzählt.«
    »Weil er nicht wusste, dass ich es war. Als er ranging, brachte ich kein Wort heraus und hab aufgelegt.«
    »Blödsinn. Ich glaub dir kein Wort. Und ich hab ganz sicher nie irgendwelche Briefe bekommen.«
    »Das liegt daran, dass ich sie nie abgeschickt habe.«
    »Warum nicht?«
    Donny schüttelte den Kopf. »Ich … Das ist schwer zu erklären. Ich weiß, warum, aber ich weiß nicht, wie ich es in Worte fassen soll. Es … Die Dinge waren dort anders. Ich meine, wir sind hier aufgewachsen, und wir alle kannten Brinkley Springs. Es war für uns der Nabel des Universums.«
    »Du tust so, als wären wir nie irgendwo anders

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