Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
Vom Netzwerk:
ausgesät hatte. Im Herbst und im Winter flatterten sie durch den Wald, veranstalteten Lärm und verschreckten das Wild.
    Paul hatte im Lauf der Jahre zahlreiche Rehe und wilde Truthähne wegen lästiger Krähen verfehlt, die einfach nicht den Schnabel halten konnten. Als Paul noch ein Junge gewesen war, hatte sein Vater ihm erzählt, dass ein Schwarm von Krähen ein neugeborenes Lamm töten und auffressen konnte. Es hatte ihn überrascht, bei PBS zu erfahren, dass Krähen die Stimmen von Menschen nachahmen konnten. Anscheinend waren die Vögel hochintelligent und ausgesprochen gerissen. Paul beeindruckte das trotzdem wenig. Sie mochten klug sein, würden für ihn aber immer ein gewaltiges Ärgernis bleiben.
    Während einer Szene, in der die Stimme aus dem Off berichtete, dass Wissenschaftler Krähen darauf dressierten, Müll einzusammeln, war er im Lehnsessel eingenickt und hatte geschlafen, bis ihn das Bellen seines Hundes weckte. Paul war hochgeschreckt und dabei beinahe aus dem Sessel gefallen. Es hätte übel enden können. Er war zwar noch nicht alt – jedenfalls nicht für seine Begriffe –, aber er lebte allein. Hätte er sich ein Bein oder die Hüfte gebrochen oder das Bewusstsein verloren, wäre wohl niemand aufgetaucht, um ihm zu helfen.
    Seit er vor sieben Jahren in den Ruhestand gegangen war, hatte Paul jeden Tag draußen im Wald mit seinen sechs Bärenhunden verbracht. Es handelte sich um Promenadenmischungen – schwarze und braune Mischlingshunde, bei denen Beagles, Schäferhunde und karelische Bärenhunde zum Genpool beigetragen hatten. Paul liebte sie abgöttisch, und sie liebten ihn ebenfalls und respektierten ihn.
    Jeden Tag, außer zu Weihnachten, an Thanksgiving und an Sonntagen, stand Paul bei Tagesanbruch auf, lud die Hunde in seinen Pick-up und fuhr hinauf in die Berge. Während der Bärensaison jagte er. In der Zeit, in der keine Schwarzbären geschossen werden durften, gestattete er den Hunden, sie aufzuspüren und zu hetzen. Das taten sie den ganzen Tag lang und kehrten erst kurz vor Sonnenuntergang nach Hause zurück. Paul genoss es, und die vielen Wanderungen über Bergkämme und Hügel hielten ihn in hervorragender Form. Auch die Hunde blieben dadurch gesund. Jedes der Tiere besaß ein Funkhalsband und einen GPS-Sender, damit er sie aufspüren konnte, falls sie sich in den Bergen verirrten – was regelmäßig vorkam, vor allem, wenn sie von einer Bärenmutter oder deren Jungen gejagt wurden.
    Er kannte die Hunde besser, als er die meisten Menschen kannte. Mittlerweile nahm er subtile Veränderungen in ihrem Gebell wahr und wusste, wie er die unterschiedlichen Tonfälle zu deuten hatte. Als er aufwachte, wusste er deshalb sofort, dass die Hunde wegen irgendetwas aufgebracht waren. Gähnend und blinzelnd hatte er im Wohnzimmer gestanden und sich gefragt, wie lange der Strom schon ausgefallen sein mochte. Da spürte er, dass die Hunde nicht bloß aufgebracht waren. Sie hatten eine Heidenangst.
    Während ihm durch den Kopf ging, was die Tiere so verschreckt haben konnte, eilte er durch das dunkle Haus, schnappte sich die Kaliber-12-Flinte und war in dem Moment nach draußen gerannt, als die Hunde verstummten. Er sah im Zwinger nach und fand sie zusammengekuschelt im hintersten Winkel vor, zitternd und verängstigt. Die rosafarbenen Zungen hingen ihnen aus den Mäulern, und sie hechelten unablässig. Er flüsterte ihnen beruhigende Worte zu, bevor er leise das Grundstück abschritt.
    Paul stieß auf nichts Ungewöhnliches. Keine Anzeichen von Eindringlingen – keine Fußspuren im nassen Gras oder Hinweise darauf, dass jemand versuchte hatte, ins Haus einzubrechen. Er wollte gerade wieder hineingehen, als erneut Lärm losbrach. Diesmal handelte es sich, statt des Geheuls verängstigter Hunde, um das Geschrei der Bewohner der Stadt. Ihr Gebrüll schien aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen. Vereinzelte Schüsse peitschten durch das Chaos. Merkwürdigerweise hörte er keine Motorengeräusche, keine quietschenden Reifen und keine Sirenen. »Das gefällt mir nicht«, raunte Paul den verängstigten Hunden zu. »Das gefällt mir kein Stück. Klingt, als sei jemand übergeschnappt und Amok gelaufen, wie man es manchmal in den Nachrichten sieht. Ihr bleibt hier. Ich schau mal nach dem Rechten.«
    Er schlich zur Vorderseite des Hauses und spähte nach links und rechts. Soweit er es beurteilen konnte, beschränkte sich der Stromausfall nicht auf die Straße oder den Block. Er schien die

Weitere Kostenlose Bücher