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Eine Vielzahl von Sünden

Eine Vielzahl von Sünden

Titel: Eine Vielzahl von Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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lagerhallenähnlichen Backsteinbau untergebracht war, mit einem kleinen roten Schild an der Straße und einem winzigen Kiesparkplatz. Man bekam den Eindruck, die Besitzer wollten seine Existenz nicht allzu offen zur Schau stellen.
    Als Eingang diente lediglich eine einzelne fensterlose Metalltür am einen Ende des Gebäudes. Es gab keine Grünanlage davor, keinen behindertengerechten Zugang, keine hineinführenden Schilder, nur diesen niedrigen, ominösen Flachdachbau mit einem langen Lichtgaden obendrauf, der auf den Parkplatz und die Meeresfrüchte-Firma hinausging. Ein älterer Holzschuppen war hinten angebaut worden. Auf einem kleinen Schild, das ich erst nicht gesehen hatte, weil es zu niedrig angebracht war, stand: SIE MÜSSEN EINE LEINE HABEN. ALLE TIERE MÜSSEN ANGEBUNDEN SEIN. BESEITIGEN SIE DEN SCHMUTZ IHRES TIERES. WENN IHR HUND EINEN ANGESTELLTEN BEISST, SIND SIE VERANTWORTLICH. BESTEN DANK.
    »Bring du ihn doch in seinem Käfig rein«, sagte Sallie und näherte sich dem Gebäude im Schritttempo, mit einem Mal ganz effizient. »Ich werde reingehen und den Papierkram erledigen. Ich habe vorhin schon angerufen.« Sie schaute mich nicht an.
    »In Ordnung«, sagte ich.
    Als wir ausstiegen, war ich von neuem überrascht, wie warm es war und wie dicht und zäh sich die Luft anfühlte. Nur einen Tag war ich weg gewesen, und inzwischen schien es schon Sommer zu sein, was nicht untypisch für New Orleans ist. Ich roch erwartbare Ausdünstungen nach wilden Tieren, zusammen mit einem Fischgestank und etwas Metallischem, das etwas in meiner Nase brannte. Und kaum war ich draußen in der warmen stehenden Luft, hörte ich Bellen aus dem Gebäude. Ich nehme an, es war durch das Geräusch des vorfahrenden Autos ausgelöst worden.
    Gegenüber vom Tierheim standen ebenfalls Reihenhäuser, die mir noch nicht aufgefallen waren. Einige ältere Schwarze saßen in Gartenstühlen aus Metall auf ihren kleinen Veranden und beobachteten mich bei meinen Vorbereitungen. Das musste ein schwieriger Ort zum Wohnen sein, dachte ich, ziemlich gewöhnungsbedürftig, all der Lärm und das Kommen und Gehen der vielen Tiere.
    Sallie verschwand hinter der unfreundlichen kleinen Tür, und ich öffnete die Heckklappe des Wagoneer und hievte den Welpen in seinem Käfig heraus. Er rutschte auf eine Seite, als ich in das Drahtgitter griff, bellte dann mehrmals aufgeregt und aus vollem Halse, dann hieb er mit den Krallen nach dem Gitter und meinen Fingern und verpasste mir einen ordentlichen Kratzer an den Knöcheln, so dass ich das Ganze beinahe hätte fallen lassen. Der Käfig war, selbst mit ihm darin, sehr leicht, und mein Gesicht war so nah, dass ich seinen Urin riechen konnte. »Ruhe da drinnen«, sagte ich.
    Aus irgendeinem Grund drehte ich mich, den Käfig in der Hand, zu den Farbigen auf der anderen Straßenseite um, die mir schweigend zusahen. Ich hatte ihnen nichts zu sagen. Ich war mir sicher, dass sie Sympathie aufbrachten für das, was geschah, weil sie es immer noch besser fanden als Grausamkeit. Mir war der Schweiß ausgebrochen, weil ich meinen Büroanzug trug. Und linkisch winkte ich ihnen zu, aber natürlich kam keine Reaktion.
    Als ich den Käfig bis nah vor die Metalltür geschafft hatte, schaute ich unwillkürlich nach links. Am Ende der verdreckten Gasse zwischen dem Tierheim und der Klinik für Seeleute war ein runder Stahlkanister, durch ein paar große gewellte Aluminiumrohre mit dem Tierheimgebäude verbunden, alles in Schwarz und neu aussehend. Das war bestimmt eine Maschine, um Tierkadaver zu entsorgen, obwohl ich nicht genau wusste, wie. Wahrscheinlich irgendein neu erfundener Verbrennungsofen ohne Ablassventil oder Schornstein – etwas sehr Effizientes. Es war überaus finster anzusehen und erinnerte mich an das, was wir alle vor Jahren gehört hatten, von furchtbaren Vakuumkammern und Vergasungszellen. Wahrscheinlich stimmten diese Geschichten nicht einmal. Heutzutage ist es bloß eine Spritze. Sie schlafen ein, in der Gewissheit, dass sie auch wieder aufwachen werden.
    Im Tierheim war es mit einem Schlag kühl, und Sallie hatte schon fast alles erledigt. Das Bellen, das ich von draußen gehört hatte, riss auch drinnen nicht ab, aber der wilde Tiergestank wurde verdrängt von einem allgegenwärtigen, aufdringlichen Geruch nach Desinfektionsmitteln. Der Empfang war eine Nische mit ein paar metallenen Schreibtischen und Leuchtstoffröhren an der hohen Decke, und auf einem Wandkalender war ein Golden Retriever zu

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