Eine Villa zum Verlieben: Roman (German Edition)
»Nutz den Rest deines Urlaubs, um dir zu überlegen, was du beruflich machen willst, und dann zeigst du denen in Hamburg, was ’ne Harke ist. Du wirst dich doch nicht von einem Neidhammel wie dieser Doris Möller kleinkriegen lassen, das hast du wirklich nicht nötig!«
Es war weit nach Mitternacht, als Leonie schließlich ins Bett kam. Hennings Worte klangen ihr noch in den Ohren, und sie beschloss, dass es nun endgültig an der Zeit war, etwas in ihrem Leben zu ändern. Er hatte recht, sie konnte wesentlich mehr, als Doris Möller ihr zutraute, und das musste sie sich immer vor Augen halten.
Mit einem leisen Anflug von Melancholie spürte sie dem Kuss nach, den Henning ihr zum Abschied auf die Wange gedrückt hatte. Nach und nach hatte sich zwischen ihnen wieder die vertraute Nähe eingestellt, die jahrelang ihr Begleiter gewesen war.
Nach einer kurzen Nacht wurde Stella von Moritz geweckt, der plötzlich neben ihrem Bett stand und sie anstrahlte.
»Papa hat gesagt, ich soll Sie wecken«, rief er laut, als wäre Stella schwerhörig. Verwirrt blickte Stella auf die Uhr. O Gott, schon so spät. Wenn sie es bis elf zur Gruppentherapie schaffen wollte, musste sie sich beeilen.
»Danke, ich komme gleich«, erwiderte sie und hoffte, dass Moritz sie in Ruhe lassen würde. Doch der hatte offensichtlich ganz andere Pläne und betrachtete Stella staunend wie eine Außerirdische.
»Gestern Abend sahen Sie aber schöner aus«, kommentierte er ihr blasses, ungeschminktes Gesicht und die strubbeligen Haare. Die Haare, mit denen ein paar Stunden zuvor sein Vater herumgespielt hatte.
»Ich wusste nie etwas mit der Bezeichnung honigblond anzufangen, seitdem ich dich allerdings kenne, weiß ich, was damit gemeint ist«, hatte er gemurmelt und sich eine ihrer Strähnen um den Finger gewickelt.
Und dann hatten sie sich ein weiteres Mal geliebt.
»Danke für das Kompliment«, antwortete Stella und wünschte sich, der Junge hätte ein wenig mehr vom Charme seines Vaters – obwohl der zumeist auch kein Blatt vor den Mund nahm. »Sag mal, Moritz, willst du nicht vielleicht ein bisschen spielen gehen?«
»Was soll ich denn spielen?«, entgegnete er und schaute sie durchdringend an.
Wahrscheinlich wollte er ihr Gesicht auf Unreinheiten untersuchen oder gucken, ob ihre Augenbrauen gut gezupft waren.
»Was Kinder eben so spielen, oder musst du nicht zur Schule?«, fragte Stella, weil ihr nichts Besseres einfiel.
»Wir haben Ferien«, erwiderte Moritz triumphierend und verschränkte die Arme vor der Brust. Wieder folgte ein langer, intensiver Blick, unter dem Stella sich nackt und hilflos fühlte.
Ich werde mich doch nicht von einem Kind verunsichern lassen, dachte sie entschlossen und schlug die Decke zur Seite.
»Wieso haben Sie Papas T-Shirt an?«, folgte der nächste Teil der Inquisition, und Stella fragte sich, womit sie das verdient hatte. Sie antwortete einfach nicht. Kinder mussten schließlich nicht alles wissen!
»Ich gehe jetzt ins Bad!«, sagte sie stattdessen knapp, schnappte sich ihre Sachen, die überall auf dem Fußboden verstreut lagen, und war froh, dass Moritz ihr nicht auch noch eine Moralpredigt zum Thema Ordnung hielt.
Im Gästebad klatschte sie sich jede Menge eiskaltes Wasser ins Gesicht. Ihr dröhnte der Kopf, und sie erinnerte sich, dass sie gestern zwei Flaschen Wein mit Robert geleert hatte. Sie nahm zwei Paracetamol auf einmal, wie in alten Zeiten, und hoffte, dass die Wirkung bald einsetzte. Am liebsten hätte sie sich einfach so aus dem Haus geschlichen und wäre zur Klinik gefahren, ohne sich zu verabschieden. Aber das wäre unhöflich gewesen und Robert gegenüber nicht fair.
Es war mehr als offensichtlich, dass er sich rettungslos in Stella verliebt hatte. Nur beruhte das leider nicht auf Gegenseitigkeit. Dass sie mit ihm geschlafen hatte, war einer fatalen Mixtur aus Einsamkeit, Liebeskummer und Alkohol zu verdanken. So etwas hatte sie noch nie zuvor getan, und Stella war alles andere als stolz auf sich.
»Guten Morgen, Frau Alberti, haben Sie gut geschlafen?«, erkundigte sich Rose Behrendsen, als Stella die Küche betrat. Dort war schon alles für das Frühstück gedeckt – nur Robert fehlte noch.
»Mein Sohn ist unten in der Praxis. Ein Notfall. Er behandelt ein Kleinkind, das aus Versehen eine Münze verschluckt hat«, erklärte sie.
Eine Münze verschluckt?, dachte Stella irritiert und war wieder einmal froh, nicht selbst Mutter zu sein.
»Wollten Sie eigentlich keine
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