Eine von Zweien (German Edition)
alleine essen.
Hatte sich etwas geändert? Ich musste das beobachten, vielleicht war es auch
nur wieder Beth. Wir gingen zurück ins Büro und machten uns bereit für das
Meeting um 16 Uhr. Das Meeting verlief normal und doch lag Ungewöhnliches in
der Luft. Normalerweise war für Max Schneider das Sprechen vor Publikum eine
wahre Freude. Heute hielt er seinen Vortrag und es schien, als ob er neben sich
stand. Nichts lief wie sonst. Seine Schlussfolgerungen wurden hinterfragt.
Seiner Präsentation schien der Tiefgang zu fehlen. Er hatte heute einfach
keinen Zugang zu seinem Charme, den er normalerweise benutze um etwaige
Unwissenheit zu überspielen. Er redete den gleichen Unsinn, wie immer, aber
diesmal konnte es jeder sehen. Keiner lachte über seine dummen Sprüche. Er fing
nach ein paar Minuten an zu schwitzen und verhaspelte sich die ganze Zeit bei kniffligen
Abschnitten. Er tat mir fast leid.
Nach seinem Vortrag erhob sich Tina und ergänzte hier und da noch wichtige
Details und ließ den armen Max katastrophal aussehen. Rache Nummer zwei! Beide
an einem Tag und mit Sicherheit ungeplant. Trotzdem freute es mich für Tina.
Das Meeting war vorbei und Max war der Erste, der den Raum verließ. Wir
unterhielten uns noch eine Weile über die Präsentationen und gingen dann wieder
in unsere Büros. Kathrin zwinkerte mir mit einem breiten Grinsen zu. Auch ich
konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. Beth folgte mir. Ich musste
herausfinden, ob sie das gemacht hatte.
„Beth, hast du etwas mit Max Schneiders komischen Verhalten
heute zu tun?“ Ich musste einfach fragen, obwohl ich mir sicher war, dass ich
die Antwort kannte.
Beth grinste mich an. „Wieso, ist er anders als sonst?“
„Nein, eigentlich ist er genauso, wie er sonst auch ist. Aber
er hat den Pfiff verloren, um seine Unkenntnis zu überspielen und zu
verstecken. Er war heute so unfähig, wie er wirklich ist.“
„Vielleicht hat ihn sein Geständnis von heute morgen so
verunsichert, dass er nicht mehr Herr seiner Manipulation ist. Damit hatte ich
vielleicht ein klitzekleines bisschen zu tun“, sagte sie mit einem
verschwörerischen Lächeln.
„Was hast du gemacht?“
„Ich habe ihm in den Kopf gesetzt, dass er uns in diesem
Moment die Wahrheit, seine wahren Beweggründe, preisgeben wird. Das war alles.
Ich glaube, manchmal müssen Menschen vor sich selbst gerettet werden, indem man
ihnen zeigt, dass sie sich verrannt haben. Er hat sich in ein Gespinst von
Lügen verrannt. Vielleicht sieht er das auch irgendwann so, oder er erholt sich
von dem Schock und verdrängt ihn und verfällt wieder in seine alten Muster. Mal
sehen“, sagte sie achselzuckend.
Sie war fertig und schaute mich an. Ich konnte ihrem Blick
nicht länger standhalten und konnte nicht anders, als Beths Worte auf mich
selber zu beziehen. Der arme Max, ich wusste genau, wie er sich gerade fühlte.
Das Wegschieben war mit Sicherheit die angenehmere Alternative. Sich den Spiegel
vorzuhalten, oder ihn vorgehalten zu bekommen, war der dramatischere Weg.
Dramatisch, weil es bedeuten konnte, dass man sein ganzes Leben überdenken
muss. Das war viel Arbeit und unangenehme Erinnerungen können auf dich
zukommen. Armer Max Schneider.
Der erste Arbeitstag mit Beth an meiner Seite ging langsam
dem Ende zu. Ich musste zugeben, ich hatte ihn sogar genossen. Es war
überraschend für mich. Heute Morgen war ich noch panisch, ob ich den Tag durchstehen
werde und jetzt –das kann ich zugeben- fühle ich mich besser als an allen
anderen Tagen zuvor. Es war schön mit meinen Kollegen die Pause zu verbringen.
Warum habe ich mir das in den Jahren vorenthalten? Ich war doch nie von meinen
Freunden enttäuscht worden. Warum hatte ich mich denn nie wieder auf Freunde
eingelassen? Und warum hatte ich mir die Frage bis jetzt nicht gestellt? War es
die Angst, überhaupt jemanden zu vertrauen und dann verletzt zu werden? Bin ich
seit damals auf Nummer sicher gegangen. Ich ließ mich auf keinen Menschen mehr
ein. Das war unkomplizierter. Beth zeigte mir indirekt meine Muster auf. Wie es
wohl meinen Mädels in Nürnberg ging? Ich hatte nicht viel Zeit meinen Gedanken
nachgehen zu können. Am Fahrstuhl trafen wir wieder auf Kathrin.
„Na Lissi, machst du heute auch mal zu einer normalen Zeit
Feierabend?“ Sie drehte sich zu Beth. „Du tust ihr allem Anschein nach richtig
gut. Mach weiter so!“
Als Beth und ich aus dem Fahrstuhl stiegen und schon fast aus
der Tür raus waren, hörte ich Kathrins
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