Eine von Zweien (German Edition)
mitmachen. Auch wenn es bedeutete immer wieder Wunden aufzureißen.
Tschakka! Ich konnte das schaffen. Sie hatte es geschafft, dann konnte ich das
auch schaffen. Und sie machte auch gleich weiter.
„Genau, und deshalb hast du dich entschieden in der
Sicherheit der Mitte zu leben. Kein zu starken Schwankungen, zu den Extremen
hin. Keine zu guten und damit auch keine zu schlechten Erfahrungen und Gefühle.
Aber hier besteht auch die Gefahr, dass du einfach lebendig begraben wirst.“
„Aber was ist die sichere Mitte? Beth, ich weiß nicht, was du
damit meinst.“
„Liebe Lissi, für dich bedeutet Sicherheit, keine Emotionen
mehr zu haben! Du freust dich nicht, du bist nicht traurig, du bindest dich
nicht an Menschen. Menschen bringen Gefühle, zwischenmenschliche Beziehungen
bringen dich in Situationen, wo es unvermeidlich ist, Gefühle zu haben. Dies
passiert in der Regel, wenn du dich wirklich auf Menschen einlässt, sie an dich
ranlässt, mit ihnen Gefühle und Erinnerungen teilst. Aber du hältst alle
Menschen auf Abstand.“
„Ja, aber dann können sie mich nicht verletzen. Wenn ich sie
in mein Universum lasse, werden sie mich verletzen. Ich habe keine Zeit, Dramen
in meinem Leben zu richten, ich muss mich um meine Arbeit kümmern, also
vermeide ich einfach die Dramen! “
„Ok Lissi, und das ist Teil der ersten Aufgabe. Du wirst also
mit deiner Familie telefonieren, mit deiner Schwester und deiner Mutter und du
wirst sie in deine Welt einweihen. Du wirst sehen, Menschen an sich
heranzulassen bedeutet auch viel Freude und die nimmst du dir, wenn du Menschen
auf Abstand hältst.“
„In welche Welt? Beth, ich habe keine Welt. Ich habe nichts
zu erzählen. Und was ich zu erzählen hatte, habe ich schon mit Alice geteilt.
Sie weiß also alles und hat sich schon ihre Meinung darüber gebildet. Da gibt
es nichts mehr hinzuzufügen.“
„Was machst du den ganzen Tag? Macht es dich glücklich, bist
du wirklich zufrieden, was sind deine Träume? Das sind Dinge, die du dich
fragen und dann mit Mum und Alice teilen kannst. Um sie teilen zu können, musst
du aber mit jemandem darüber reden! Oder hast du genau über diese Dinge schon
mit deiner Schwester gesprochen? Und was ist mit den Träumen deiner Schwester
oder deiner Mum, kennst du die? Weißt du über deren Leben bescheid.“ Beth
unterstrich jedes Wort das sie sage mit einer ausladenden Handbewegung die mich
etwas einschüchterten.
„Ich arbeite den ganzen Tag, es macht mich zufrieden, wenn
Aufgaben erledigt sind, ja zufrieden bin ich, glücklich, dahin strebe ich nicht
und Träume habe ich keine im Moment. Ambitionen, ja eigentlich bin ich
zufrieden. Da ist nicht wirklich viel rauszuholen aus dem Thema. Ich weiß dass
hört sich vielleicht sehr abgeklärt an, aber was soll ich sagen, das ist mein
Mantra, das ich mir seit Jahren sage, und nach dem ich lebe. Gut, ich könnte
natürlich ein wenig nach ihren Interessen fragen, das habe ich sicher
vernachlässigt. Aber hätten sie es mir nicht erzählt, wenn etwas gewesen wäre?“
Beth ignorierte meinen letzten Satz und fuhr mit ihren
Plänen, Gedanken und Anweisungen fort.
„Perfekt, dann fängst du mit den kurzen und uninteressanten
Tagesroutinen an, das kannst du ja versuchen und wenn es schnell vorbei ist,
kannst du schnell aufhängen. Auch ein kleiner Anfang ist ein Anfang, du weißt
also, was du zu tun hast!“
„Ja, erst mal arbeiten, dafür werde ich nämlich bezahlt.“
Zum Glück hatten Beths Aufgaben noch ein wenig Zeit. Der Tag
hatte ja gerade erst begonnen. Wir waren im Büro angekommen. Beth ging zuerst
in die Küche, um sich mit Verpflegung auszustatten und kam dann ins Büro, als
ich auf dem Weg zu Herrn Dunken war. Er hatte eine Nachricht geschrieben: ich
sollte sobald ich da sein würde, kurz bei ihm vorbeikommen. Vielleicht hatte er
seine Entscheidung vom Vortag bereut und wollte, dass ich Beth sage, sie könne
nicht hier bei mir rumhängen und alle von der Arbeit abhalten. Was sie gar
nicht tat, aber nicht, dass er auf die Gedanken gekommen ist. Oder er einfach
hinterfragte, warum sie hier war. Ich versuchte, mir mögliche Erklärungen
einfallen zu lassen, wie sie uns nicht nur nicht störte, sondern uns sogar mit
ihrer Kreativität unterstützte. Ich klopfte an und er winkte mich herein.
„Lissi, super, die Frau, die ich sehen wollte! Sie haben also Verwandte in Bayern,
richtig? Und sie kennen sich mit dem Menschenschlag und der Mentalität dort
aus, richtig?“
„Ja,
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