Eine von Zweien (German Edition)
Vorabend vorgewarnt.
Sie saß aufmerksam neben mir auf ihrem Stuhl.
„Aber du malst noch?“ schob Tatjana nach.
Ich wurde rot.
„Nein, Tatjana, ich hatte bis Anfang der letzten Woche kein
einziges Bild mehr gemalt. Ich habe auch nur wieder angefangen, weil eine
Kollegin herausfand, dass ich mal gemalte habe und sie eines meiner Bilder für
den guten Zweck versteigern möchte.“
„Das ist ja verrückt, quasi eine Katastrophe, eine
unglaubliche Verschwendung von Talent! Ich bin schockiert und alles wegen eines
Jungen. Das kennt man doch sonst nur aus billigen Filmen!“ sprudelte es aus
Marthas Richtung hervor.
Martha hatte es auf den Punkt gebracht: Alles nur wegen eines
Jungen! Hätte ich damals so gedacht oder mit meinen Mädels darüber gesprochen,
wäre ich jetzt da, wo Beth war. Aber ich war es nicht. Das musste ich so
hinnehmen, denn die Vergangenheit konnte ich nicht mehr ändern. Ich konnte
allerdings heute verstehen, wie Martha die ganze Geschichte beurteilte. Noch
bis vor ein paar Tagen hatte ich eine ganz andere Sicht. Da war ich alleine das
Opfer und hätte nichts dagegen tun können.
„Ja, das stimmt. Es war ganz schön drastisch gewesen, aber
daran kann ich jetzt nichts mehr ändern, ich kann jetzt nur alles, was ich
vermisst habe, wieder in mein Leben zurückholen. Neben dem Malen, mit dem ich
wieder angefangen habe, wäre ich froh, wenn ich auch euch wieder einen Teil
meins Lebens nennen könnte!“
Ich merkte, wie gut mir das Gespräch tat. Ich merkte wie es
mir half, mich mit all diesen Menschen auszutauschen. Ich war nicht allein. Der
Knackpunkt war auch, ich war ja diejenige, die ihnen Schmerzen zugefügt hatte.
Indem ich sie um Verzeihung bat, musste ich auch Lukas irgendwie verzeihen.
Lukas hatte mich bei seinen Planungen ausgegrenzt und ich hatte daraufhin alles
aus meinem Leben ausgegrenzt. Vielleicht war es an der die Vergangenheit aus
der Gegenwart und der Zukunft zu verbannen. Ich merkte jetzt schon, wie einige
Wunden zu heilen begonnen. Und mir ging es wohl nicht alleine so.
„Ich denke, ich spreche für alle, wenn ich sage: Willkommen
zuhause!“ Elene sah in die Runde und alle grinsten mich an und gaben ihre
Zustimmung.
Martha brannte aber noch etwas auf der Seele, dass sie nicht
gehen lassen konnte. Die Worte platzen fast aus ihr heraus. Ich war gespannt,
was jetzt kam. Es flackerte nur so in ihren grünen Augen.
„Na, dein Vater hat sicherlich einen Blumenstrauß an Lukas
geschickt, schließlich war es doch immer sein Reden, dass du was Vernünftiges
mit deinem Leben anfangen sollst, anstatt mit diesen Farben herumzuspielen. Der
muss doch sicher irre stolz auf dich sein.“
„Ja, sollte man meinen. Aber so ist es nicht. Ich kann dir
nicht sagen, wieso, vielleicht ist es einfach seine Art die Welt zu sehen, aber
er ist nie zufrieden. Egal, über was ich mit ihm rede, auch wenn die Fakten
eines Falls noch so sehr auf meiner Seite sind, er versucht trotzdem, mich
auseinanderzunehmen und mäkelt an meiner Arbeit herum. Ich hätte also auch
Malerin werden können, er wäre genauso unzufrieden mit mir.“ Diese Gedanken
kamen mir gerade in einer unbekannten Klarheit. Aber ich hatte Recht. Ich hatte
es noch nie so gedacht oder so ausgedrückt. Diesmal hatte ich es auf den Punkt
gebracht.
„Wow, harte Worte! Aber so kennen wir unsere Väter, oder? Auf
unsere Väter!“ Martha hob ihr Glas und machte Andeutungen zu einem Toast. Wir
gingen darauf ein und ließen die Kritik unserer Väter an uns abprallen,
zumindest für die restliche gemeinsame Zeit.
„Was machst du denn jetzt hier? Einfach so deine Familie
besuchen?“ fragte Tatjana.
„Ja, zum einen bin ich ja Tante geworden und deshalb auch schon
am Wochenende da, und zum anderen muss ich ab Montag für eine Woche unserer
Partnerfirma in München aushelfen und die Prüfung der Bücher irgendeiner
Innovativagentur übernehmen.“
„ Herzlichen Glückwunsch! Dann bist du jetzt Tante, das freut
mich für Dich!“ rief Elene.
„Und was ist denn eine Innovativagentur?“ wollte sie noch
wissen.
„Elene, ich habe nicht die geringste Ahnung, aber ich habe
auch erst einen Termin bei uns im Büro und ich hoffe, die klären mich dann auf.
Im Grunde ist es , glaube ich, auch nur eine Werbeagentur, oder so? Aber was
sie wirklich machen, ist meist Nebensache, zumindest für mich. Ich schaue nach
deren Zahlen und schaue nach der Balance und im zweiten Schritt, wenn
gewünscht, setzte ich mich genauer mit ihrer Branche
Weitere Kostenlose Bücher