Eine Vorhaut klagt an
zwei schwarze Teenager gerichtet, die zur Elektronikabteilung unterwegs waren.
– Nacht, sagte er, ohne mich anzusehen.
Shark? Ich war besser als ein Shark. Ich war unsichtbar.
Ich zog durch Läden und Malls, selten gesehen, nie beargwöhnt, ein Engel mit vollgestopften Hosentaschen, ein Geist, für unschuldig gehalten, die Greatest Hits der Bee Gees vorn in die Hose gezwängt. Ich hatte geglaubt, mit einer Baseballkappe auf dem Kopf würde ich in der Menge untergehen, nun aber merkte ich, dass ich mich mit einer Kipa auflöste. Meine Kipa ließ mich verschwinden und mit mir, vom Beginn der dritten Klasse bis zum Anfang der Jeschiwe-Highschool, Alben, Comics, Fahrradteile, einen ein Meter hohen Bilderrahmen anlässlich des Hochzeitstages meiner Eltern, Radios, tragbare Kassettengeräte, Spielzeugraketen, Spielzeugraketenwerfer und die kleinen Päckchen mit drei Ritz-Crackern mit dem orangefarbenen Aufkleber für nichtkoscheren Käse.
Mit vierzehn kam ich an die Metropolitan Talmudical Academy High School in der 181st Street, Ecke Amsterdam Avenue, in New York. Der Campus der Jeschiwe war eine fünf Block lange, zwei Block breite, von Brinks überwachte Garnison mitten in dem von Kriminalität geplagten, von Drogen heimgesuchten Viertel nahe der Spitze der Insel Manhattan namens Washington Heights. Zu Hunderten kamen wir in dieses Ghetto: aus Rockland County, aus Queens, aus Staten Island, aus New Jersey und aus Long Island. Wir kamen in Ralph-Lauren-Shirts und Girbaud-Hosen. Wir kamen in Champion-Sweatshirts und Nike Air Jordans. Wir kamen in Timberlands und Avirex-Lederjacken. Ich hielt die Leute von Monsey für reich, aber dann begegnete ich Leuten aus Westchester. Ich hielt die Leute aus Westchester für reich, aber dann begegnete ich Leuten aus Woodmere. Ich hielt die Leute aus Woodmere für reich, aber dann begegnete ich Leuten aus Englewood. Wie reich kann man denn noch sein? , fragte ich mich. Dann begegnete ich Leuten aus Great Neck.
Da hatte ich fast sechs Jahre lang bei Caldor’s gestohlen, und ich versuchte, so gut ich konnte, ein loyaler Nichtkunde zu bleiben. Mein ganzes Erstsemester hindurch stahl ich weiter dort, doch als dann allmählich die zehnte Klasse nahte, musste ich der Tatsache ins Auge sehen, dass Caldor’s einfach nicht in der Lage war, die Bedürfnisse eines älteren, anspruchsvolleren Ladendiebs zu befriedigen. Ich suchte die Kipa meines Vaters für die heiligsten Tage im Jahr – eine blendend weiße Tarnkappe aus Satin, mit silbernen Stickereien verziert und mit schimmernden goldenen Fäden abgesetzt –, setzte sie auf, zog die Zizijot -Schnüre aus der Hose, steckte einen Schraubenzieher zum Ablösen von Sicherheitsschildchen in die Tasche und ging zu Macy’s.
– Spinn jetzt nicht rum , sagte ich zu Gott, als ich mit einem Rucksack voller Diebesgut durch die Sicherheitssensoren des Kaufhauses schritt.
Meine Beziehung mit Gott war im Begriff, sich zu ändern. Ich hatte die endlose spirituelle Zählkartenmanipulation satt, und ich stellte mir vor, dass Gott sie ebenfalls satthatte, auch die öde, unaufrichtige Algebra aus Buße und Sünde, und ich begann, mit Ihm zu sprechen, als wäre Er, nun ja, echt. Vielleicht lag es an all den Jahren der Scham und Furcht. Vielleicht lag es an Rabbi Goldfinger, der mir vor so langer Zeit gesagt hatte, ich sei wie ein Stammvater, der sich auf eine gefährliche Reise begebe – hatte nicht auch Abraham mit Gott gefeilscht? Hatte nicht Jakob mit Gott gerungen – Ihn sogar richtiggehend in den Arsch getreten? Hatte nicht Mose, von Gott gerufen, den Exodus anzuführen, Ihm gesagt, er solle sich einen anderen suchen? Sie hatten gestritten, debattiert, hinterfragt. Ich maulte, ich beschimpfte Ihn, ich zeigte Ihm den Finger. Ich mochte ein wenig mürrischer und etwas weniger ehrfürchtig gewesen sein als meine Stammväter, aber das erschien mir immer noch respektvoller als die kriecherische Anrufung der Gläubigen um mich herum; immerhin traute ich Ihm zu, hin und wieder mit einer kleinen Kritik umgehen zu können. Denn würde Allmächtigsein nicht auch Allselbstüberprüfend einschließen? All-offen-für-Kritik? All-ehrlich-selbstbeurteilend? Umgeben, wie Gott es war, von einem Universum speichelleckerischer Ja-Sager, würde Er für eine ehrliche Interaktion vielleicht ein klein wenig dankbar sein.
– Bist Du blöd , sagte ich etwa zu Ihm, wenn der Bus, nach dem ich gerannt war, ohne mich abfuhr. – Ehrlich, warum musst Du so ein Arschloch
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