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Eine Witwe ohne Tränen

Eine Witwe ohne Tränen

Titel: Eine Witwe ohne Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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geblieben war, nahm dann ihr
leeres Glas und spülte beide an der Bar aus. Damit waren meine gastgeberischen
Vorleistungen für den Besuch der Witwe Vivienne Carlyle erschöpft; und mir
blieb nichts übrig, als zu warten. Etwa zehn Minuten später hörte ich das
Geräusch eines Wagens, der die Zufahrt heraufkam, und gleich darauf klingelte
es an der Haustür.
    Ich
öffnete, und ein blonder Tornado fegte an mir vorbei wie eine Gestalt aus einer
Werbeszene für ein Waschmittel im Fernsehen. Ich ließ mir zwei Sekunden Zeit,
den schwarzen Rolls-Royce zu bewundern, der meiner Zufahrt solchen Glanz
verlieh; dann schloß ich die Tür und folgte meiner Besucherin ins Wohnzimmer.
Sie wartete dort mit sichtlicher Ungeduld auf mich — die eine Hand auf die
Hüfte gestützt, wo die Finger einen lautlosen Wirbel trommelten.
    Sie
sah aus wie eine lohfarbene Tigerin, die begierig ist, wieder in den Dschungel
zurückzukehren, um hinter ihrer natürlichen Beute herzujagen: dem Mann. Ihr
dichtes blondes Haar war nur hinter das rechte Ohr zurückgestrichen, so daß es
wie eine Kaskade wirr und üppig über die linke Schulter fiel. Die Frisur
betonte die kräftigen Züge ihres Gesichts — die tiefliegenden nachtblauen
Augen, die gerade Nase und die fest gerundete Kinnlinie. Ihr Mund war von
bezaubernder Sinnlichkeit, mit einer breiten Ober- und einer sehr vollen, stark
geschwungenen Unterlippe. Die üppigen Rundungen ihrer hervorspringenden Brüste
preßten sich eng gegen eine korallenrote Chiffonbluse, und die weißen
Seidenkordhosen schmiegten sich so prall um ihre Hüften und Beine, daß sie dort
Falten bildeten, wo sie selbst welche hatte. Sie war der personifizierte
erotische Wunschtraum und eine äußerste Herausforderung an die Männlichkeit in
einem. Ich konnte mir vorstellen, wie Gail innerlich aufgeschrien haben mußte,
als sie Vivienne das erstemal hatte ins Zimmer treten
sehen.
    »Ich
möchte etwas zu trinken«, sagte sie mit tiefer, heiserer Stimme. »Scotch.«
    »Auf
Eis?«
    »Nur
Scotch.«
    Ich
ging zur Bar hinüber, goß ihr Scotch und mir einen Bourbon auf Eis ein. Vivienne
stand nach wie vor mitten im Zimmer, und ich brachte ihr den Drink. Ihre
kräftigen, geschickten Finger griffen nach dem Glas und hoben es an ihre
Lippen. Dann trank sie die Hälfte des Inhalts, ohne irgendeine Reaktion
erkennen zu lassen.
    »Diese
Leichenfledderer«, sagte sie mit plötzlicher Heftigkeit. »Seit die Sache
passiert ist, hat das Studio sechs Wachmänner aufgestellt, nur um sie auf der
anderen Seite des Zauns zu halten. Dort stehen sie nun und warten. Worauf, zum
Teufel, warten sie eigentlich? Daß die Witwe in Sack und Asche auf den Rasen
hinausgelaufen kommt? Vielleicht hoffen sie darauf, daß ich mich in einem
Verzweiflungsanfall selber verbrenne oder so was? Ich habe heute
nachmittag ein paarmal zum Fenster hinausgespäht, und mir ist es eiskalt
den Rücken hinuntergelaufen. Alle stehen sie da und warten mit ihren stumpfen
erwartungsvollen Gesichtern und bersten innerlich vor Schadenfreude! Aber ich
habe ihnen heute abend einen Strich durch die
Rechnung gemacht. Marvin fuhr mit dem Wagen hinaus wie eine Rakete, und ich
habe mich hinten auf den Boden gekauert, so daß sie kein Haar von mir zu sehen
gekriegt haben!«
    »Marvin?«
sagte ich.
    »Marvin
Lucas. Ein Freund von mir.« Sie trank das Glas aus und warf es mir zu. »Noch einen
Schluck von der Sorte — dann können wir uns unterhalten.«
    Als
ich ihr Glas frisch eingegossen hatte, saß sie bereits auf der Couch und war
damit beschäftigt, eine schwarze Zigarette mit Goldmundstück in eine lange
Jadezigarettenspitze zu stecken. Ich gab ihr Feuer und reichte ihr das Glas,
und sie patschte mit der Hand neben sich auf die Couch.
    »Setzen
Sie sich hierhin, Holman. Ich hasse es, wenn jemand, mit dem ich rede, zu weit
weg ist — man muß so schreien. Und ich schreie nicht gern — jedenfalls nicht
grundlos.«
    Ich
ließ mich neben ihr nieder, trank einen Schluck Bourbon und versuchte all die
üppigen Rundungen zu ignorieren, die sich da innerhalb meiner Reichweite
befanden.
    »Joe
Rather hat mir alles erzählt«, sagte sie und blies eine parfümgeschwängerte
Rauchwolke aus. »Er wollte, daß wir uns morgen vormittag träfen, aber ich sagte: >Zum Kuckuck, warum denn nicht heute
abend ?< Schön, ich bin Witwe, aber das bin ich schließlich morgen vormittag immer noch.« Sie wandte mir plötzlich das
Gesicht zu, und die dunkelblauen Augen glimmten in lohfarbenem Feuer. »Er

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