Eine Witwe ohne Tränen
hatte
ohnehin sterben müssen. Wissen Sie das?«
»Lloyd
Carlyle?«
»Krebs«,
sagte sie leichthin. »Heute kam ein Bericht von einer
Gewebequerschnittuntersuchung, aber Lloyd wußte es sowieso schon lange. Sie
haben wahrscheinlich bereits bemerkt, daß ich nicht weine?«
»Ich
habe es bemerkt«, sagte ich.
»Ich
habe ihn geheiratet, weil ich es satt hatte, seine Geliebte zu sein und die
ganze Zeit nett zu ihm sein zu müssen.« Sie gähnte leicht, wobei sie kräftige
weiße Zähne entblößte. »Als Ehefrau kann man hin und wieder ein Luder sein, und
das war mir lieber. Wenn wir schon von Ludern reden, diese Quentin könnte sich
über ihre Beziehungen zu Lloyd die Lunge aus dem Hals schreien; es wäre mir
völlig egal, wenn nur die Erbschaftssteuer nicht wäre.«
»Wie
bitte?« murmelte ich.
»Lloyd
hat mir alles hinterlassen — ich wette, er hatte die Quentin bereits
ausbezahlt! — , und es ist ein Haufen Zeug, aber die Erbschaftssteuer wird das
meiste verschlingen. Er war an seinem letzten Film prozentual beteiligt, und
das wird mich auf meine alten Tage ernähren.« Sie lächelte flüchtig. »Deshalb
ziehe ich ja mit Joe Rather am selben Strick, damit dieser Film der größte
Kassenschlager aller Zeiten wird! Deshalb liegt mir ebenso wie Joe Rather
daran, daß Rita Quentin die Klappe hält und Justin Godfrey ebenfalls. Was soll
ich also Ihrer Ansicht nach tun?«
»Hat
Ihnen Rather von Rita Quentins Bedingungen erzählt, für den Fall, daß sie den
Mund halte?« fragte ich.
»Klar.«
Sie nickte. »Sie sollen herausfinden, ob Gail sich selber umgebracht oder ob
das jemand sonst für sie erledigt hat!« Ihre Unterlippe verzog sich
verächtlich. »Die hat nicht alle Tassen im Schrank! Haben Sie je davon gehört,
daß ein Mensch jemanden umgebracht hat, indem er ihn mit einer Überdosis
Schlaftabletten gefüttert hat? »Hier, Gail — iß noch ein paar von diesen
köstlichen Tabletten, oder ich schlitze dir den Hals auf!< Diese Quentin muß
völlig übergeschnappt sein!«
»Warum
hat sich Gail umgebracht?« fragte ich, nachdem ich es geschafft hatte, meinen
Mund daran zu hindern, permanent offenzustehen.
»»Weil
sie wußte, daß sie drauf und dran war, Lloyd zu verlieren, nehme ich an«, sagte
Vivienne beiläufig. »Warum sonst?«
»Hat
sie ihn so sehr geliebt?«
»Woher,
zum Teufel, soll ich wissen, was ein anderes Frauenzimmer fühlt? Die meiste
Zeit über weiß ich ja nicht einmal, was ich fühle! Aber sie wußte natürlich
über Lloyd und mich Bescheid, genauso wie ich über ihn und Rita Quentin
Bescheid wußte. Ich hätte Gail nie für einen sentimentalen Typ gehalten, aber
man weiß es eben nie. Oder?«
»Kennen
Sie einen Fernsehdrehbuchautor namens Lester Fosse ?«
»Schwer
zu sagen.« Sie zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich. Ich habe im Lauf meines
Daseins ein paar tausend Männer kennengelernt, ich wäre also nicht überrascht,
wenn Fosse darunter wäre.«
»Sie
wissen nicht, ob er und Gail ein Liebespaar waren?«
»Ich
dachte immer, sie sei zu sehr mit ihrem Tennisschläger beschäftigt, um noch für
anderes als Sportarten Energie aufzubringen, aber da kann sie mich getäuscht
haben.« Sie zuckte erneut die Schultern. »Wie helfen Sie uns nun also aus der
Klemme?«
»Es
gibt eine ganz einfache Möglichkeit, falls ich Godfrey überreden kann«, sagte
ich. »Ich muß ihn dazu bringen, Rita Quentin den in Gails eigener Handschrift verfaßten Selbstmordbrief zu zeigen.«
»Nein«,
sagte sie gelassen.
»Warum
nicht?«
»Rita
Quentin ist leicht zu durchschauen, vor allem weil sie mir in vieler Hinsicht ähnlich
ist. Diese Bedingungen, die sie da stellt, sind nur ein Trick, um alles
durcheinanderzubringen. Sie hat irgend etwas in petto, und wenn wir darauf
eingehen, wird sie früher oder später damit herausrücken müssen. Dann werden
wir wissen, worauf sie in Wirklichkeit aus ist. Aber in der Zwischenzeit wird
sie den Mund halten, und das ist bestens. Mit diesem Godfrey liegt die Sache
anders, das ist ein Verrückter. Wenn man versucht, Druck auf ihn auszuüben,
schnappt er vielleicht vollends über — wie nichts.« Sie schnippte scharf mit
den Fingern. »Und wenn er überschnappt, wird er mit diesem Selbstmordbrief
Schlagzeilen machen, vergessen Sie das nicht. Also kommen Sie ihm nur nicht zu
nahe.«
»Was
schlagen Sie statt dessen vor?« brummte ich.
»Nichts«,
sagte sie prompt. »Erzählen Sie Joe Rather, Sie seien hinter der Sache her;
erzählen Sie Rita Quentin, Sie seien hinter
Weitere Kostenlose Bücher