Eine Witwe ohne Tränen
Johnny?«
»Ich
habe ihn bewußtlos auf der Fußmatte liegenlassen«, knurrte ich. »Können Sie
schwimmen?«
»Nein.«
»Das
ist großartig!« Ich packte ihn erneut am Hemd, hob ihn halb aus dem Stuhl und
warf ihn dann wieder hinein. »Dann ertrinken Sie leichter.«
Eine
Sekunde lang schienen sich die blaßblauen Augen
beinahe zu treffen, während sie sich nach innen drehten, dann schüttelte er wie
wahnsinnig den Kopf. »Sie müssen verrückt sein, Holman! Was habe ich Ihnen je
getan?«
»Nichts.«
Ich grinste bösartig. »Ich bin einfach ein Sadist. Ich tue den Leuten gern weh,
vor allem Leuten wie Ihnen, Godfrey!«
»Sie
sind doch nicht den ganzen Weg hierhergekommen, nur um mich zu verprügeln?«
»Und
ob!« Ich zuckte die Schultern. »Entweder geben Sie mir diesen Selbstmordbrief,
oder ich verprügle Sie nach Strich und Faden.«
»Oh!«
Ein schwacher Schimmer des Verständnisses zeigte sich in seinen Augen, während
er wieder zu überlegen begann. »Nun, das tut mir leid, aber ich habe ihn
nicht.«
»Wo
ist er?«
»An
einem sicheren Ort, wo niemand hinkommen kann außer mir selbst.«
»Irrtum«,
bellte ich, »-niemand außer Ihnen und mir!«
Er
richtete sich auf und versuchte das Wasser zu ignorieren, das aus seinem durchweichten
Anzug tropfte. »Ich habe Ihnen schon vorher gesagt, daß ich, wenn Sie
versuchen, mir zu drohen, die ganze Sache auffliegen lassen werde — und wie
steht dann das Studio da?«
Ich
hievte ihn in die Höhe und warf ihn ins Wasserbecken zurück. In einer Beziehung
hatte er die Wahrheit gesagt: Er konnte mit Sicherheit nicht schwimmen. Ich
ließ ihn eine Weile im Wasser herumflegeln, bis er es — durch reines
Zufallsglück — schaffte, bis zum Rand zurückzugelangen, wo er den Kopf hob, um
etwas dringend benötigte Luft zu schnappen. Mein auf seinen Kopf gedrückter Fuß
ließ ihn statt dessen einen Mundvoll Wasser schlucken. Dann zerrte ich ihn
heraus und warf ihn in den Stuhl zurück. Das Ganze hatte etwas monoton
Routinemäßiges an sich, aber nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, empfand
er es nicht so. Er spie Wasser von sich wie eine Fontäne, stöhnte entsetzlich,
würgte eine Weile, versprühte noch ein wenig Wasser, sank dann in den Stuhl
zurück und begann zu weinen.
»Wir
gehen jetzt und holen diesen Brief«, sagte ich. »Oder wollen Sie in den
Swimming-pool zurück, Godfrey?«
Er
beugte sich im Stuhl vor und stützte den Kopf zwischen die Hände. Die
schnüffelnden Laute waren wie die eines Meerschweinchens mit gebrochenem
Herzen, und ich mußte eine Weile warten, bis er sich ein wenig beruhigt hatte,
bevor ich weitersprechen konnte.
»Diesen
Selbstmordbrief hat es gar nie gegeben, Justin«, sagte ich ruhig. »Oder?«
Er
hob ein wenig den Kopf und starrte mich, wie mir schien, lange Zeit an, bevor
er kurz den Kopf schüttelte. »Nein«, flüsterte er.
»Ein
Mädchen, das einen großen emotionellen Schock erlitten hat — so groß, daß sie
zum erstenmal in ihrem Leben Alkohol trinkt, betrunken wird und schließlich
eine Überdosis Schlaftabletten einnimmt«, sagte ich geduldig, »hat einfach
nicht die Zeit, auch nur an einen Abschiedsbrief zu denken.«
»Es
war meine einzige Chance.« Sein Kopf sank wieder zwischen die Hände. »Gail
hatte kein eigenes Geld, das wußte ich. Sie konnte sich wohl umbringen, aber
was war mit mir? Sie dachte niemals an mich — an ihren Bruder! Lloyd mochte
mich nie leiden, und ich wußte, daß er, sobald die Beerdigung vorüber war, mich
aus dem Haus werfen würde. Also erklärte ich ihm, ich hätte einen Brief, in dem
sie ihn dafür verantwortlich machte, daß sie zum Selbstmord getrieben wurde.
Ich war derjenige, der ihre Leiche gefunden hatte. Niemand sonst konnte wissen,
ob sie einen Brief hinterlassen hatte oder nicht. Ich dachte, tausend Dollar
pro Monat seien für Carlyle nur Kleingeld, und die schuldete er mir. Gail auch.
Wenn sie sich nicht umgebracht hätte, so wären sie mir ohnehin beide
davongelaufen.«
»Wie
bitte?« fragte ich langsam.
»Es
ist wahr!« Sein Kopf fuhr mit einem Ruck wieder in die Höhe, und zornige
Flecken zeigten sich auf seinem kreideweißen Gesicht. »Genau das hatten sie vor
— sie wollten zusammen weglaufen.«
»Wovon,
zum Teufel, reden Sie eigentlich?« krächzte ich. »Sie waren doch schon
verheiratet!«
»Klar
waren sie das, aber Carlyle war zu dem Schluß gekommen, daß er von Hollywood
die Nase voll hatte — von allem, vom Filmedrehen, vom Star-Dasein — , er hatte
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