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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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schluckte.
    „Hast du ihm je gesagt, daß du ihn liebst?“ fragte ich, nachdem er die Flasche abgesetzt hatte. Er schaute erschrocken zu mir auf. „Schau nicht mich an. Schau auf das Grab.“
    „Habe ich dir das nicht erzählt?“
    „Nein.“
    Er zögerte. „Nein, ich habe es ihm nie gesagt.“
    „Dann tu es jetzt.“
    „Hier? Gleich?“
    Ich wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen, deshalb sagte ich: „Du kannst es auch leise sagen, es reicht, wenn du es in Gedanken tust. Aber du mußt es mit deiner ganzen Seele tun. Hörst du? Tu es jetzt!“
    Er senkte den Kopf, stützte das Kinn in die Hände, und ich begann mit meiner Zeremonie. Ich bewegte mich ein bißchen, tanzte Vogue von Madonna und sprach dabei folgende Worte: „Unodziva kutawura chirungu? Munobva kupi? Mugwagwa unoenda kuMwari uri kupi?“ Ich wiederholte diese Sätze mehrmals hintereinander und bemühte mich, sie beschwörerisch klingen zu lassen. Die Worte bedeuteten nicht mehr als: „Sprechen Sie Englisch? Wo sind Sie geboren? Wie komme ich zum großen Mwari, dem Größten aller Götter?“
    Nachdem ich es fünfmal gesungen hatte, sagte ich Mäxx, daß er jetzt noch ein Opfer bringen müsse, um die Zeremonie abzuschließen.
    „Ein Opfer?“
    „Ja. Stich dir mit dem Dorn einer Rose in den Finger!“
    Mäxx tat es.
    Wären noch die Wolken aufgerissen und hätte die Sonne einen Strahl auf den Grabstein geworfen, wäre die Hollywoodszene perfekt gewesen. Ich grinste ein bißchen, weil ich mir ziemlich toll vorkam, deshalb merkte ich erst, als er schon seine Arme um mich gelegt hatte, daß Mäxx aufgestanden war.
    „Christian hat mich gerade an einen Satz erinnert, den er mir damals gesagt hat: ‚Liebe läßt dich Dinge tun, bei denen andere die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Liebe läßt dich manchmal ziemlich dumm aussehen, aber sie macht dich unglaublich schön.‘“
    Ich fragte mich noch, wieso ihm das gerade jetzt einfiel. Von welcher Liebe sprach er überhaupt? Der zu Christian? Dann spürte ich seine Lippen auf meinen und sank in seine Arme.

Edvard *
     
    Ich war auf dem Weg zum Balkon, um Blumen zu gießen – die Sonne schien schon ein paar Tage am Stück –, die Blumen hatten es bitter nötig. Malvyn lag vor der Stereoanlage und ließ mal wieder die Musik donnern; glücklicherweise war Bernhard nicht zu Hause.
    „Na. Was liegt an, Bruder?“ fragte ich Malvyn.
    „Ich hatte Sex mit Mäxx“, antwortete er, als wäre es vollkommen nebensächlich.
    „Du hast was?“ fragte ich und blieb so ruckartig stehen, daß das Wasser aus der Gießkanne schwappte.
    Er drehte sich auf den Rücken und wiederholte: „Ich hatte Sex mit Mäxx.“
    Ich schaltete die Musik aus und setzte mich zu ihm auf den Boden. „Erzähl keinen Scheiß, Mann.“
    „Doch. Es stimmt.“ Er legte seinen Kopf in die Ellenbeuge und starrte an die Decke. Ich versuchte, die Gefühle aus Malvyns Gesicht zu lesen, aber das war nicht einfach, denn er zeigte keine.
    „Mach endlich den Mund auf!“ sagte ich aufgeregt.
    Dann erzählte Malvyn mir von Max’ Reaktion auf den ersten Kuß, seiner distanzierten Art seitdem, den Verabredungen, die er trotzdem machte, den Spaziergängen voller Spannung, ohne Augenkontakt, und schließlich dem Ritual. Malvyn ließ sich jedes Wort aus der Nase ziehen.
    „Auf dem Friedhof!“ Ich schüttelte den Kopf. „Und? Was ist dann passiert?“
    „Ich kam mir vor wie vom Blitz getroffen.“ Malvyn starrte immer noch an die Decke. „Wir standen uns eine Weile gegenüber und schauten uns in die Augen. Dieser Kuß – er hat mich ehrlich gesagt nicht nur überrascht, sondern richtig umgehauen. Ich spürte sein Begehren, aber es war nicht bloß Sex. Er meinte mich, jedenfalls war das viel intensiver als mit David. Mein Herz klopfte mir im Hals, und ich habe mir gewünscht, daß er mich in die Arme nimmt. Aber wir standen ja auf dem Friedhof, wir standen an Christians Grab. Das war wirklich nicht der geeignete Ort.“
    „Und?“
    „Mäxx hat mich bei der Hand genommen und ist mit mir raus in ein Taxi.“
    „Ja, hat er denn nichts gesagt? Ich meine …“ Ich wußte ja auch nicht was, aber ich hätte es zumindest vermutet.
    „Nein, nicht wirklich.“ Jetzt schaute mich Malvyn an, drehte sich um und stützte seinen Ellenbogen auf. Mit dem Zeigefinger seiner freien Hand fuhr er die Linien auf dem Parkett nach. „Ich meine, nichts Bestimmtes. Da war wieder diese eigenartige Spannung.“
    „Und du?“
    „Ich habe mich auch nichts

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