Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
angestellt haben? Ich würd eher sagen, daß sich Max wie ein Arsch benommen hat.“ Ich schüttelte den Kopf. „Warum mußt du ihn nur immer verteidigen?“ Ich ahnte, daß Edvard in Max ein Stück seiner eigenen Vergangenheit sah, in der auch er immer nur an Sex gedacht hatte.
„Und warum mußt du Max immer schlechtmachen?“ fragte er.
Anstatt zu antworten, ging ich ins Bad und putzte mir die Zähne. Warum ich Max schlechtmachen mußte? Wenn das nicht offensichtlich war.
Edvard räumte noch den Tisch ab.
„Komm, das machen wir morgen. Laß uns ins Bett gehen“, sagte ich auf dem Weg ins Schlafzimmer.
„Laß mich mal. Ich steh nicht gern auf, um erst mal eine halbe Stunde aufzuräumen. Du kannst das Bett ja schon vorwärmen.“
„Na gut. Aber mach nicht zu lange. Okay?“
„Okay!“
Es war schwierig, im Dunklen meinen Schlafanzug zu finden. Seit Hannah immer öfter bei uns übernachtete, hatte ich mir wieder einen zugelegt. Es kam mir einfach seltsam vor, nackt neben dem kleinen Mädchen zu liegen. Dann schlüpfte ich zu ihr unter die Decke. Hannah war warm und strahlte eine angenehme Entspannung aus. Ihr Atem war sanft und ruhig, und so schlief ich schnell ein.
Leises, aber permanentes Flüstern weckte mich. Ich öffnete die Augen und sah, daß Hannah zwischen Edvard und mir auf dem Bett saß und angestrengt versuchte, ihrer Gretl etwas zu erklären. Um sie herum lagen eine Reihe von Schmink- und Haarpflegeutensilien: Die Bio-Puppe wurde mit Plastikkram bearbeitet. Na, das machte Sinn.
„Guten Morgen“, flüsterte ich, um Edvard nicht zu wecken.
„Guten Morgen, Berni. Gretl will sich nicht waschen. Ich hab ihr gerade erklärt, daß man, wenn man erwachsen werden will, daß man sich dann, na ja, also … waschen muß.“
Ich nahm Hannah in den Arm, aber sie wand sich heraus.
„Komm! Wir müssen aufstehen. Ich habe Gretl versprochen, wenn sie badet, gehen wir dahin, wo die großen Tiere wohnen.“ Sie meinte damit den Zoo.
„Mäuslein. Ich weiß nicht, ob das klappt. Wir rufen gleich mal deine Mama an und fragen, was sie heute mit dir vorhat. Okay?“
„Aber ich habe es der Gretl versprochen. Und ein Versprechen muß man doch halten! Nicht wahr, Berni?“
Ich hatte befürchtet, daß Hannah früher oder später lernen würde, selber schräge deals auszuhecken, um damit ihre Wünsche durchzusetzen.
Es war kurz vor neun, als mein Telefon läutete. Ich stolperte ins Arbeitszimmer und hob ab. Es war meine Mutter. „Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht.“
Seit dem Tod meines Vaters hatte sich unsere Beziehung dramatisch abgekühlt. Ich vermied den Kontakt. Ein- oder zweimal im Monat telefonierten wir, kurz, nur das Nötigste. Meine Besuche hatten sich auf Pflichtbesuche reduziert. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein richtiges Gespräch mit ihr geführt hatte. „Gut. Und selbst?“
„Abgesehen davon, daß ich mich kaum erinnern kann, wie du aussiehst …“
Meine Mutter war so klein und zierlich, daß man in ihrer Anwesenheit nicht wagte, laut zu sprechen, weil man Angst hatte, sie würde zerbrechen wie dünnes Glas. Ich kannte sie nur als zurückhaltend, nachgiebig und ängstlich. So eine massive Anspielung war ungewöhnlich für sie.
„Ich habe viel Streß im Moment“, log ich. „In den Ferien bin ich total ausgebucht. Und über die Jahrtausendwende soll man auf keinen Fall reisen. Du weißt ja, wegen der Computer …“ Ich haspelte weitere Gründe herunter. Weihnachten bei ihr, dann womöglich noch mit meinen Geschwistern – einen größeren Alptraum hätte ich mir nicht ausmalen können.
Hannah trat in das Arbeitszimmer und zerrte Edvard hinter sich her. Er war nackt und rieb sich die Augen.
„Berni!“ rief Hannah, und ich hielt die Hand über den Hörer.
„Ich weiß, daß du viel um die Ohren hast, mein Junge. Ich würde niemals erwarten, daß du mich besuchen kommst. Deshalb habe ich mir gedacht, ich komme für ein paar Tage nach München.“
Verdattert schaute ich mich um. In der Ecke stand der afrikanische Fruchtbarkeitsgott mit dem übergroßen Penis, draußen über dem Eßtisch hing der Matrose von Pierre & Gilles mit Sperma an der Backe, auf den Bücherregalen drängte sich schwule Literatur und im Wohnzimmer standen jede Menge Bildbände mit Männerakten, von Edvards Videokollektion mal ganz abgesehen.
„Bist du sicher?“ fragte ich meine Mutter.
„Ich bin mir sehr sicher, Bernhard.“
„Dann komm“, sagte ich und legte
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