Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
Biedermeierschrank!“ rief einer der Gäste.
„O Gott“, sagte Bernhard, „bloß nicht.“
Ich sprang gleich auf die Frotzelei an und tat recht erschrocken. „Hättet ihr euch was anderes gewünscht?“
„Bernhard wünscht sich ein Tattoo“, sagte Edvard. Man sah ihm an, daß er ein wenig stolz auf diesen Wunsch war. Bernhard schielte zu seiner Mutter hinüber. Sie lächelte.
„Au ja, und wir dürfen es aussuchen!“ rief ein anderer.
„Das dürfte bei fünfundsiebzig Gästen ziemlich einfach werden, eins zu finden, das allen gefällt.“
„Nein, jeder sucht ihm eins aus.“
„Und wir nehmen einen Quelle-Katalog dazu her.“
„Quelle-Kataloge guckt man doch nur wegen der Wäschefotos durch.“
„Da hat Neckermann aber die hübscheren Kerle.“
„Dafür gibt es bei Quelle die tollen Seiten zur ‚Familienhygiene‘. Da hält sich eine Frau einen Vibrator ans Gesicht, angeblich, weil er Falten wegmacht.“
„Ach, jetzt verstehe ich, wozu diese Dinger gedacht waren“, sagte Bernhards Mutter, und ihr Sohn fiel fast vom Stuhl.
„Hallo. Hallo!“ rief ich zur Ordnung. „Das ist zwar ’ne nette Unterhaltungsshow, aber der Hauptgang will aufgetragen werden, und wir müssen uns ein wenig sputen. Bernhard und Edvard bekommen von uns eine Flitterwoche im Ray‘s Inn in Key West.“
„Wer die Idee dazu hatte, kann ich mir gut vorstellen“, rief Edvard und stand auf.
„Und ich weiß auch, was er sich dabei gedacht hat“, fügte Bernhard hinzu und folgte Edvard zu Max hinüber.
Im Ray‘s Inn konnte man nachts die Tür seines Hotelzimmers offenlassen und so signalisieren, daß man Besuchern gegenüber aufgeschlossen war. Max und Edvard, die vor Jahren beide mal dort gewesen waren, hatten davon geschwärmt.
Edvard umarmte Max, Bernhard legte ihm zum Scherz die Hände um den Hals, als wolle er ihn würgen.
„Ich wollte euch doch nur eine Freude machen“, sagte der Schriftsteller mit einem aufgesetzten Schmollmund.
„Wir werden es genießen, die Weihnachtsferien dort zu verbringen“, sagte Edvard. „Vorher kommen wir wegen der Schule nicht weg.“
„Aber die Tür bleibt zu!“ sagte Bernhard mit erhobenem Zeigefinger zu Edvard, der ihm daraufhin die Zunge herausstreckte. Dann kamen die beiden zu mir herüber und küßten mich. Von mir gingen sie zu Karin, Lipstick und all den anderen.
„Eigentlich müßten, nein möchten wir hier jeden umarmen“, sagte Edvard laut, um die Gespräche zu übertönen, die aufgekommen waren, „aber ich sehe hungrige Gesichter und einen ungeduldigen Koch. Und wenn ich ehrlich bin, auch mir kracht der Magen. Deshalb sagen wir jetzt erst mal vielen, vielen Dank. Wir werden uns revanchieren.“
„Auf eure Liebe!“ rief einer der Gäste und stand auf, andere taten es ihm nach. Sie hoben die Gläser, aber da stellte sich Bernhard auf einen Stuhl und sagte:
„Wir sollten den ersten Schluck lieber auf den Gönner dieses Abends trinken: Auf Raimondo!“
Bernhard *
Die Kellner räumten die Teller ab, und ich zog Edvard zur Seite: „Hast du gewußt, daß sie Mutter einladen?“
„Nein!“ Edvard verteidigte sich empört, das machte es mir um so suspekter. „Berni, sei nicht immer so mißtrauisch! Du wolltest es nicht, also habe ich es nicht getan. Was traust du mir eigentlich noch alles zu?“ Er sah mich an, und ich konnte wirklich nicht beurteilen, ob er die Wahrheit sagte. „Komm, jetzt ist es raus. Sie hat gehört, daß wir geheiratet haben. Und wie hat sie reagiert? Ist sie rausgelaufen oder in Tränen ausgebrochen? Nichts ist passiert. Statt dessen sitzt sie dahinten am Tisch und wartet darauf, daß du dich zu ihr setzt. Wann kapierst du endlich, daß deine Ängste übertrieben sind?“
Ich murrte. Edvard hakte sich bei mir unter und zog mich in die Party hinein. Das Essen war vorüber, jemand hatte ein paar Tische zur Seite geschoben, um Platz für eine Tanzfläche zu schaffen, es lief Musik. Malvyn wühlte sich durch eine Kiste von CDs. Man hatte ihn wohl gebeten, sich als DJ zu betätigen, oder vielleicht hatte er es auch selbst beschlossen, das wußte man bei ihm nie so genau. Etwa die Hälfte der Gäste stand in Grüppchen zusammen; der Rest saß noch an den Tischen.
Hannah war die Attraktion des Abends. Schon während des Essens war sie auf Gäste zugegangen, die sie nicht kannte, und hatte sich ihnen vorgestellt und nach ihren Namen gefragt. Jetzt saß sie in ihrem Engelskostüm auf einem Tisch und erzählte den aufmerksamen
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