Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)
Ich hoffe, daß die beiden nicht genau so ein Leben führen, wie ich es mit Theo geführt habe – eine Beziehung über Jahrzehnte, und in der Tiefe stimmt was nicht.“
Da fiel mir ein, daß ich Divja ein Buch mitgebracht hatte. „Warte“, sagte ich. „Jetzt setzt du dich hin, ich muß nur eben was holen, und auf dem Rückweg bringe ich den Tee mit.“ Ich ging in den Flur, öffnete den Koffer und holte das Geschenk heraus.
„Ich hatte nichts zum Einpacken“, sagte ich und gab es ihr. „Ich wollte den beiden keine Umstände machen.“
Divja freute sich; es macht mich glücklich sie zu beschenken. „Ich mag Geschenkpapier ohnehin nicht, das weißt du doch.“ Sie schlug es auf und blätterte darin.
„Ein Freund von Bernhard hat es unter diesem Pseudonym geschrieben, und Kim, die Mutter von Hannah, hat Sonntag daraus gelesen …“ Ich schenkte uns Tee ein, dann setzte ich die Kanne auf dem Stövchen ab und ging wieder an meinen Platz.
„Eng verzahnte Verhältnisse, was?“
„Ja, das kann man wohl sagen. Jedenfalls ist es eine sehr schöne Geschichte. Ich glaube, sie wird dir gefallen.“
„Worum geht es denn?“
„Ach, um eine Ehe, eine scheinbar glückliche Ehe. Lies es selbst. An der Oberfläche scheint alles in Ordnung zu sein, aber da taucht ein unerwartetes Ereignis auf – ich will es nicht vorwegnehmen –, und dann ist die Krise perfekt.“
„Machst du dir deswegen Sorgen um die Beziehung deines Sohnes?“
Es elektrisierte mich fast. Vielleicht war es das.
Divja schaute mich mit diesem Blick an, der so ganz ohne Erwartungen war.
„Ich weiß nicht, wie stabil ihre Beziehung ist, weißt du? Aber ich wünsche mir, daß Bernhard glücklich ist.“ Aber was konnte ich schon tun?
Als hätte sie meine Gedanken gelesen, sagte sie: „Du kannst einen Brief an Sai Baba schreiben. Er ist ein Avatar, ein Wesen, daß sich hier auf der Erde inkarniert hat, um uns Menschen zu helfen. Wenn du ihm einen aufrichtigen Wunsch mitteilst, geht er in Erfüllung.“
Ich seufzte. „Und du meinst, das klappt?“
„Versuch es einfach.“ Sie schlug das Buch zu und legte es neben sich. „Eine Geschichte über eine Ehekrise. Immer dreht sich alles um Beziehungen“, sagte Divja.
„Stimmt. Und immer geht es um die Probleme und Schwierigkeiten, die Menschen miteinander haben.“
„So ist es doch auch. Wenn ich an meine Ehe denke“, sagte Divja. „Zehn Jahre verheiratet, fünf Jahre Scheidung. Danach hatte ich die Nase derart voll, daß ich mich nie wieder einließ.“
„Ja, aber das ist nur eine Seite davon“, sagte ich und lehnte mich zurück. „Ich kannte meinen Theo sechsundvierzig Jahre, vierundvierzig davon waren wir verheiratet. Er war weiß Gott kein einfacher Mann, und wie oft habe ich mir überlegt, ob es nicht besser wäre, ihn zu verlassen. Aber weißt du, wenn es irgend etwas gäbe, was ihn mir zurückbrächte, ich würde es ohne zögern tun.“
II
Edvard *
Ich übergoß den Blumenkohl und die Karotten, die ich zuvor blanchiert und in Gläser gefüllt hatte, mit einer siedenden Essig-Kräuter-Mischung. Dreiundzwanzig Uhr! Es war schon wieder dreiundzwanzig Uhr! Die Küche war eine einzige Katastrophe, ich hätte gerne noch den Rest des Gemüses eingemacht, aber wenn ich jetzt nicht zu Bett ging, würde Bernhard ohne mich einschlafen. Ich schraubte die Gläser zu, stellte sie auf den Kopf, schaltete das Licht aus und ging ins Bad.
Nachdem Bernhard bei mir eingezogen war, führten unsere unterschiedlichen Lebensrhythmen dazu, daß wir zwar in derselben Wohnung lebten, aber in parallelen Welten: Er mußte beizeiten aufstehen, damit er Punkt halb acht im Lehrerzimmer stand, und zog sich daher abends entsprechend früh zurück. Außerdem brauchte er Ruhe vor dem Einschlafen, weshalb er zeitig ins Bett ging und las. Ich dagegen lebte am Abend erst richtig auf.
Inzwischen hatten wir einen Kompromiß gefunden: In den Ferien klinkte er sich in meinen Rhythmus ein, während der Schulzeit ich mich in seinen. Manche Freunde finden das nicht fair, weil die Ferien doch viel kürzer sind, aber wir lebten gut damit.
„Na“, sagte ich, während ich mich auszog, Hemd und Hose auf Bügel hängte und meine Unterwäsche in die schon wieder überquellende Schmutzwäschetonne stopfte. Dann klaubte ich Bernis Sachen auf, die er einfach nur hingeschmissen hatte. Ich hatte lange versucht, ihm das abzugewöhnen – erfolglos.
„Na?“ Er las. Bestimmt wieder etwas aus dem Internet oder einen
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