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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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komisch?“ fragte sie dann und meinte damit seinen Akzent.
    „Weil er von ganz weit herkommt. Malvyn kommt aus einem Land, in dem es Löwen, Elefanten und Nashörner gibt.“
    „Uui!“ sagte sie und starrte Malvyn mit großen Augen an, denn Tiere waren ihre Leidenschaft. Sofort wollte sie alles wissen, was er dort erlebt hatte, und er erzählte bereitwillig.
    Das Eis war gebrochen, Hannah erklomm seinen Schoß, und während er sprach, studierte sie seinen Mund, die schönen Zähne, seine großen Augen und die dunkle Haut. Und dann, mitten im Satz, hob sie die Hand und berührte Malvyns Gesicht. Ich weiß nicht, ob sie damit überprüfen wollte, ob er echt war? Jedenfalls war das der Anfang für eine sehr intensive Liebe zwischen den beiden.
    Die zweite Person, der Malvyn begegnete, war Kim. In den ersten Tagen holten wir Hannah immer von der Agentur ab und brachten sie dorthin zurück, aber irgendwann fanden wir keine Ausrede mehr, warum Kim ihre Tochter nicht vorbeibringen sollte, dann stand sie in unserer Wohnung. Als sie Malvyn sah, ließ sie Hannah quasi aus den Armen gleiten. Während sie das Kind normalerweise nur ablieferte, um schnell ins Büro zu eilen, hatte sie plötzlich Zeit, sich zu setzen und mit uns zu plaudern. Viel Zeit.
    „Du solltest als Modell arbeiten, Malvyn!“ Das war so ziemlich der zweite Satz nach: „Hi. Ich bin Kim und gerade solo.“
    „Kim. Malvyn ist nur zu Besuch“, sagte ich – langsam, in der Hoffnung, so besser zu ihr durchzudringen. „Er kommt von weit her und ist bald wieder ganz, ganz weit weg.“
    Sie überhörte mich einfach. „Du würdest viel Geld verdienen“, sagte sie zu ihm. „Die Auftraggeber zahlen dir die Flüge.“
    „No, no“, wehrte Malvyn ab und vollzog langsame Scheibenwischerbewegungen mit seinem langen Zeigefinger. „Das ist nicht meine Welt.“
    „Warum nicht?“ fragte Kim, und ich hätte sie am liebsten an den Haaren aus der Wohnung gezerrt.
    „Der Gedanke daran macht mich nicht glücklich“, antwortete er.
    „Nicht glücklich? Wie meinst du das?“
    Er schaute sie entgeistert an. „Spürst du nicht, ob dich etwas glücklich macht oder nicht?“
    Jetzt schaute Kim verdattert drein. Dann nickte sie, zaghaft zwar, aber sie nickte.
    „Da mußt du reinspüren.“ Malvyn legte seine rosafarbenen Fingerkuppen auf Kims Herz. „Wenn es sich öffnet, dann tu es. Wenn es sich schließt, laß es sein.“
    „Möchtest du mich heiraten?“ fragte sie, was selbst für Kim sehr direkt war.
    Malvyn grinste dieses zähnefletschende Grinsen, gab ihr einen Kuß auf die Wange und sagte: „Du bist süß. Du solltest meine Schwester sein.“ Kim fiel fast vom Stuhl.
    All unseren Freunden begegnete Malvyn mit derselben selbstverständlichen Offenheit, aber er reagierte sehr unterschiedlich auf sie: Raimondo faszinierte ihn. Er schaute diesen alten Herrn, dessen lebenslustiges Gemüt in den letzten Wochen immer mehr von Leid überschattet wurde, mit großen Augen an, als wäre er ein Wesen von einem anderen Stern. Sie unterhielten sich „prächtig“, wie Raimondo das bezeichnete. Und Malvyn pikte ihn immer wieder in den dicken Bauch und sagte: „Du bist so süß, Raimondo. Du bist so süß“, was Raimondo – sehr zu meinem Erstaunen – schmeichelte.
    Im Gegenzug nahm ihn Raimondo unter seine Fittiche, ging mit ihm ins Theater, was Edvard und mir willkommene Pausen verschaffte und Raimondo Ablenkung bot. Er lachte wieder, Raimondo lachte wieder, und das erleichterte mich.
    Jean-Paul dagegen, oder „Jay Pee“, wie Malvyn ihn nannte, begegnete er eher nüchtern. Natürlich konnte Jean-Paul, trotz Edvards inständiger Bitten, sich nicht zurückhalten, machte Malvyn die abenteuerlichsten Komplimente, aber sie prallten der Reihe nach an ihm ab. Damals gingen wir davon aus, daß es vor allem daran lag, daß Malvyn, zumindest was Sex anbetraf, naiv war und ein zutiefst unschuldiges Gemüt besaß, ja, wir nahmen an, wir hätten mit ihm in eine schwule Sauna gehen können und er hätte sich höchstens gefragt, ob es deswegen so dunkel war, weil die Glühbirnen kaputt gegangen seien.
    Und Max? Es war mir nicht recht, daß Edvard seinen Busenfreund einlud. Wir hatten deswegen sogar eine heftige Auseinandersetzung. Edvard hatte Recht, Max war ein ausnehmlich intelligenter Mensch und daher ein passendes Gegenüber für diesen „Schwamm von Neugier“ Malvyn. Aber die Vorstellung, daß dieser Zyniker unseren unschuldigen Malvyn verderben könnte, machte mich ganz

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