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Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition)

Titel: Eine Wohnung mitten in der Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Niederwieser
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Zuerst meine Mutter, dann Hannah, die immer hier ist, jetzt Malvyn, Adrian geht es immer schlechter, Raimondo verfällt, mir geht die Schule auf den Keks, dir dein Laden.“
    Ich schüttelte ihn, hoffte, er würde mir in die Augen schauen und sagen: Du hast recht. „Hm? Es ist bestimmt nur eine Phase“, sagte ich. „Sie wird vergehen. Bestimmt.“
    Edvard entspannte sich widerwillig in meinen Armen. „Vielleicht hast du recht“, sagte er.
    Dieses „Vielleicht“ stieß mir auf. Das hätte ich ihm gleich sagen sollen, aber im nachhinein ist man immer schlauer. Oder besser noch, ich hätte ihn gleich packen sollen und vernaschen, so wie ich es früher ständig gemacht hatte. Statt dessen bat ich ihn, das Licht auszumachen. Dann drückte er sich wieder an mich heran, wenn auch nicht ganz so fest wie zuvor.
    „Ich kriege Bauchkrebs bei dem Gedanken, daß Malvyn irgendeinem Monster in die Hände fällt“, sagte er nach einer Weile – wir konnten nicht einschlafen.
    „Dann können wir Max schon mal von der Liste streichen.“
    „Bernhard!“ Edvard schlug mir mit der Hand auf die Brust; ich zuckte. „Ich will das nicht mehr hören.“ Dann entspannte er sich wieder. „Wie wär’s mit Raimondo? Der hätte sich so ein Sahnestückchen verdient.“
    „Raimondo? Kommt nicht in Frage. In seiner Verfassung? Selbst wenn, wie stellst du dir das eigentlich vor? Willst du anrufen und sagen: ‚Ach, entschuldige, würdest du bitte meinen Neffen vögeln?‘“
    „Nein, natürlich nicht so plump“, antwortete Edvard. „Das muß man geschickter einfädeln“, sagte er und bohrte sein Knie zwischen meine Schenkel, damit ich meine Beine spreizte und er seines dazwischen schieben konnte. „Laß mich mal machen.“
    Stimmt, ich hatte vergessen, was Edvard für ein durchtriebenes Bürschchen war. Er würde das so galant hinkriegen, daß es der andere nicht mal merkte.
    Am Sonntag rief meine Schwester Sieglinde an. Ich ahnte, daß etwas im Busch war, denn sie hatte sich schon lange nicht mehr gemeldet.
    „Warum rufst du an?“ fragte ich nach dem üblichen Hallo- und Wie-geht-es-dir-Geplänkel und klopfte an die Zwischentür zum Wohnzimmer, wo Malvyn mal wieder die Musik donnern ließ. Er drehte sie herunter. „Sorry“, hörte ich ihn rufen.
    „Hat Mutter schon mit dir gesprochen?“ fragte sie.
    „Worüber?“
    Edvard steckte den Kopf in das Arbeitszimmer herein, ich hielt die Hand über den Hörer und flüsterte: „Sieglinde.“
    Er nickte. „Grüß sie schön von mir.“ Er sagte das mit einem ironischen Grinsen auf den Lippen; schließlich kannte sie ihn ja nicht mal.
    „Nun, ich hab letzten Sonntag eher zufällig erfahren, daß Divja im Sommer einen Monat nach Indien gehen will. Mutter meint, sie würde in der Zeit alleine bleiben, aber das ist völlig ausgeschlossen. Du weißt ja selbst, wie wackelig sie auf den Beinen ist. Ich befürchte, sie wird uns verhungern, wenn ihr niemand das Essen vor die Nase stellt.“
    Mir war nicht klar, was Sieglinde mit dem Anruf bezweckte. „Aha“, sagte ich und wartete, ob da noch ein Nachsatz käme.
    „Ich habe schon mit Gudrun telefoniert, aber sie kann Mutter nicht aufnehmen.“
    „Aha.“
    Edvard hatte sich auf das Klappsofa gesetzt und kräuselte nun die Stirn. Er wußte, wenn ich wortkarg wurde, bahnte sich etwas an, deshalb malte er ein Fragezeichen in die Luft. Ich winkte ab und schaute zum Fenster hinaus.
    „Ich würde sie ja sofort nehmen, du kennst mich ja. Aber Mutter hier zu haben würde in einer Katastrophe enden. Ich kann mir nicht freinehmen, und mein Töchterchen würde sie nur piesacken.“
    Das konnte ich mir lebhaft vorstellen. Manu war ein Biest; sie hatte vor der ganzen Familie hinausgeplärrt, daß ich schwul bin, und damit das ganze Drama heraufbeschworen. Das war vor viereinhalb Jahren, inzwischen war sie wahrscheinlich dazu übergegangen, ihre Lehrer zu foltern.
    „Barbara und Mausi stehen außer Diskussion“, sagte meine Schwester. „Die Anderthalbzimmerwohnung war ja immer schon zu klein, und jetzt wo sie schwanger ist …“
    „Hmm. Und Ludwig?“ fragte ich, eine eher rhetorische Frage, denn unser Bruder hatte sich noch weiter von der Familie zurückgezogen als ich.
    „Was ist denn los?“ fragte Edvard diesmal laut.
    „Nichts“, antwortete ich.
    „Bitte?“ fragte meine Schwester.
    „Edvard hat gerade gefragt, worüber wir uns unterhalten.“
    „Ach so. Also Ludwig kannst du völlig vergessen. Wie soll der sich um Mama kümmern?

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