Eine wundersame Weihnachtsreise: Roman (German Edition)
gefahren hat. Dort traf ich einen Studenten, aber sein Auto blieb vor der Raststätte hier auf dem Standstreifen liegen. Keine Ahnung, ob er schon Hilfe gefunden hat. Ich bin mir aber sicher, dass er so schnell keine finden wird, und deshalb bin ich jetzt hier und hoffe, dass mich irgendwer mitnimmt.«
Butterblume lauschte ihrer Erklärung mit offenem Mund, als könnte sie Annas Worte noch weniger glauben als ihr eigenes Vergessenwerden auf einer Raststättentoilette.
Erst, als Rose sie anstieß, schloss sie ihre Lippen wieder.
»Das ist ja eine tolle Geschichte!«, sagte Flieder, holte ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich. Nicht, weil sie so gerührt war, sondern weil sie wohl eine Erkältung ausbrütete.
»Dann gehe ich wohl richtig in der Annahme, dass Sie über kein Beförderungsmittel verfügen, das uns aus unserer Misere befreien kann«, erkundigte sich die Rosendame.
Anna seufzte. »Nein, ich fürchte nicht. Ich suche selbst nach einer Mitfahrgelegenheit. Die ich aber wohl nicht finden werde bei meinem Glück heute Nacht. Oder besser gesagt, heute Morgen«, korrigierte sie sich nach einem Blick auf die Raststättenuhr, deren Zeiger auf Viertel vor drei standen.
»Na dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als gemeinsam zu warten, was?« Der Fliederdame schien diese Aussicht zu gefallen. »Setzen wir uns doch und überlegen, was wir in unserer Situation tun können.«
»Am besten legen wir uns in den Schnee und warten, bis wir steifgefroren sind«, gab Butterblume alles andere als sonnig zum Besten.
»Du wärst die Erste, die schnell wieder reinlaufen und nach Honigmilch schreien würde!«, bemerkte Flieder trocken.
»Außerdem haben wir doch schon ganz andere Dinge durchgemacht, erinnert ihr euch?«, wandte die Rosendame ein und lächelte Anna freundlich an. »Warum setzen Sie sich nicht zu uns, Kindchen, und lauschen den Geschichten von ein paar alten Damen?«
»Das ist ihr sicher viel zu langweilig«, wandte Butterblume ein, doch Anna schüttelte den Kopf.
»Nein, keineswegs!« Und das war sogar ehrlich gemeint, denn Anna konnte sich Schlimmeres vorstellen, als diesen drei Damen zu lauschen. Und vielleicht geschah ja zwischendurch auch noch ein kleines Wunder. Immerhin hatte Frau Hallmann gemeint, dass so etwas möglich war …
13. KAPITEL
M it vier Gläsern Irish Coffee platzierten sie sich an Annas Tisch. Anna wusste nicht, ob es am Alkohol in dem Getränk lag, doch schon nach drei Schlucken kam sie sich vor wie in einem Märchen, in dem sie von drei schrillen Feen gekidnappt worden war. An der Theke hatten sie sich ja noch gesittet benommen, doch nun schienen sie die Lust am Streiten wiederzuentdecken.
»Ich habe keine Ahnung, was du mit all den Heizdecken willst«, sagte Flieder zu Rose und deutete vorwurfsvoll auf die Tasche, die sich vor Decken nur so ausbeulte.
»Das wirst du noch sehen, wenn die in den Zimmern wieder die Fenster offen lassen – oder wenn der Nachtdienst sie aufreißt, weil er meint, Frischluft sei gesund!«
»Da hat sie recht«, pflichtete Butterblume ihr bei. »Beim Nachtdienst kann man nie wissen. Manchmal glaube ich, den haben sie nur engagiert, um uns umzubringen.«
»Das sagt die Frau, die sich vorhin noch in den Schnee werfen wollte«, bemerkte Flieder trocken.
»Das sind zwei vollkommen verschiedene Paar Schuhe!«, entgegnete Butterblume. »In den Schnee werfe ich mich freiwillig, aber wenn mir die Schwestern an den Kragen wollen, werde ich ungemütlich!«
»Wie sind Sie denn ins Heim gekommen?«, fragte Anna nach einem weiteren Schluck Irish Coffee. Im nächsten Augenblick wurde ihr klar, was für ein Unsinn ihre Frage war, denn wie kam man schon ins Altenheim? Indem man alt war und niemanden hatte, der sich um einen kümmerte!
»Oh, ich bin dorthin gegangen wegen der Männer«, antwortete Rose freimütig, während sie ihre Heizdeckentasche näher an sich heranzog und dabei Flieder einen fast schon feindseligen Blick zuwarf. »Nach dem Tod meines Mannes hatte ich keine Lust, allein zu bleiben, und wo sonst findet man noch Männer, die eine alte Schachtel wie mich haben wollen?«
»Als ob es in unserem Altenheim heiße Typen gibt«, giftete Butterblume. »Die meisten von ihnen sind entweder senil, haben einen Dauerkatheter oder liegen im Bett. Ich halte es für eine denkbar schlechte Idee, deswegen ins Heim zu gehen.«
»Aber wo sollte ich denn sonst hin?«, entgegnete Rose beleidigt. »Ich hatte niemanden, habe ganz allein in meiner Wohnung
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