Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)
grinsen. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und klammere mich an seine Taille.
„Ich liebe dich, großer Bruder. Aber manche Sachen kann ich mit dir nicht besprechen. Da kannst du Mama auch nicht ersetzen.“
Er seufzt und drückt mir einen Kuss auf den Scheitel.
„Ich weiß, Baby. Ich weiß.“
Es klingelt schon wieder. Ich sollte langsam darüber nachdenken, mir eine Drehtür einbauen zu lassen. Das käme meinem Status als Footballgroupie ja nur entgegen. Thorsten öffnet die Tür, während ich mir die restlichen Tränen aus dem Gesicht wische.
„Was willst du denn hier?“, höre ich meinen Bruder verdutzt fragen.
„Ich möchte mit Nina sprechen.“ Eric! Oh nein. Das wird nicht gut ausgehen.
Thorsten sieht von der geöffneten Haustür zu mir und wieder zurück. Sein Gesichtsausdruck wechselt blitzartig von Verwirrung zu Erkenntnis. Bevor ich reagieren kann, hat Thorsten Eric schon am Kragen gepackt und gegen die Wand im Hausflur gedrückt.
„Du? Wegen dir sitzt meine Schwester hier und weint? Ich hätte es wissen sollen.“ Thorsten hebt seine Faust, um Eric einen Schlag zu verpassen. Bevor er ausholen kann, habe ich mich an seinen Ellbogen gekrallt und versuche, ihn zurückzuziehen. Eric steht völlig reglos da und macht keine Anstalten, sich zu verteidigen.
„Thorsten, bitte.“ Ich dränge mich zwischen die beiden und lege meinem Bruder die Hände auf die Brust. „Bitte nicht!“, flehe ich ihn an. Er ist völlig in Rage und will mich zur Seite schieben. Ich trommele auf ihn ein und schaffe es endlich, ihn wieder in die Wohnung zu schubsen.
„Geh in die Küche!“, brülle ich ihn an. Er tritt tatsächlich den Rückzug an. Im Hintergrund höre ich die Küchentür mit Schwung zuknallen.
Eric steht mit gesenktem Blick vor mir und für einen Moment habe ich fast Mitleid.
Schließlich sieht er doch zu mir auf. „Nina, es tut mir so leid. Ich kann dir alles erklären. Es ist nicht so, wie es aussieht.“
Das ist der Moment, wo es bei mir ausklinkt und ich ihm mit Schwung eine runterhaue. Eric nimmt es einfach hin und scheint nicht besonders überrascht.
„Was ich gesehen habe, reicht mir und bedarf keiner weiteren Erklärung“, fauche ich ihn an. Ich könnte ihm vor die Füße spucken, so wütend bin ich gerade. Ehe er ein weiteres Wort sagen kann, habe ich ihm die Tür vor der Nase zugeknallt. Diese miese Ratte. Ich habe ihm so viel anvertraut und er hat nur eine Show abgezogen.
Meinen Bruder finde ich zusammengesunken am Küchentisch.
„Bist du irre?“, schreie ich ihn gleich an. „Papa hat dich so nicht erzogen. Er hätte niemals toleriert, dass du Faustkämpfe startest. Eric hätte sich noch nicht mal gewehrt. Wolltest du ihn zu Brei schlagen? Hättest du dich dann besser gefühlt? Papa wäre so enttäuscht von dir.“
Noch bevor ich den letzten Satz ausgesprochen habe, bereue ich es schon. Das war nicht fair. Thorsten steht so abrupt auf, dass der Stuhl hinter ihm auf den Boden knallt. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, stürmt er aus meiner Wohnung.
In den nächsten Tagen kommen keine einzige SMS und auch kein Anruf von Eric. Es fühlt sich beschissen an.
6.
Für David und mich ist es schon seit geraumer Zeit ein Ritual, dass wir vor jedem Heimspiel gemeinsam frühstücken. Thorsten fährt in aller Frühe ins Stadion und wir gehen den Tag in aller Ruhe an. Eigentlich hatte ich heute nicht mit ihm gerechnet, da ich ihn seit der Begegnung zwischen Eric und Thorsten nicht mehr gesehen habe. Dennoch steht David um Punkt neun Uhr mit einer Tüte Brötchen und einem herzlichen Lächeln vor meiner Tür.
„Hey Zucker!“, sagt er, als wäre alles wie immer. Ich mache mir da nichts vor. Selbstverständlich hat Thorsten ihn darüber aufgeklärt, was passiert ist.
David geht an mir vorbei in die Küche und klatscht mir, zur Untermalung seiner Aussage, kräftig auf den Hintern. Ich folge ihm und brühe wortlos Kaffee auf. David durchstöbert den Kühlschrank, auf der Suche nach Orangensaft.
„Im Vorratsschrank. Ich habe vergessen, welchen kaltzustellen“, bemerke ich leise. David hängt inzwischen kopfüber in meinem Kühlschrank und streckt mir dabei seinen Hintern entgegen. Schließlich taucht grinsend und mit einer Flasche Prosecco in der Hand wieder auf.
„Wir können auch die nehmen.“
„David?“ Mit hängenden Armen bleibe ich vor ihm stehen. Er stellt unverzüglich die Flasche beiseite und zieht mich an sich. Schon öffnen sich die Schleusen und ich
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