Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)
eher, wann er sich mal nicht meldet. Er hat schon unzählige SMS geschrieben und ruft ungefähr im Stundentakt an.“
„Was sagt er denn?“
„Keine Ahnung. Ich hebe nicht ab und die SMS habe ich ungesehen gelöscht. Mal ehrlich, was gibt es denn da noch zu erklären? Er hat ein Kind, was ich weiß Gott nicht schlimm finde, aber die passende Frau oder Freundin hat er ja offensichtlich auch schon. Ich mache mich nicht zu seiner Gespielin. Das ist schon viel zu lange gelaufen und ich hätte auf mein Gefühl vertrauen sollen.“
Wie auf Zuruf klingelt mein Handy auf dem Wohnzimmertisch. Jule geht zu meinem Telefon und hebt einfach ab. Bevor ich protestieren kann, unterhält sie sich schon mit dem Anrufer.
„Hallo.“
„Nein, hier ist Jule. Ihre Freundin.“
„Ich könnte jetzt sagen, dass sie nicht da ist. Aber wir wissen wohl beide, dass sie einfach nicht mit dir sprechen will.“
„Sag ich ihr.“
„Ciao Eric.“
Wie gerne hätte ich jetzt gehört, was er gesagt hat. Jule schmeißt mein Handy nachlässig auf den Wohnzimmertisch und kommt wieder in die Küche. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, widmet sie sich wieder dem Schokoladeneis. Ich sehe mir ihre Seelenruhe genau eine Minute lang an, bevor mir der Kragen platzt.
„Was hat er gesagt?“, fordere ich eine Reaktion von ihr.
Jule leckt erst genüsslich ihren Löffel ab und sieht dann zu mir auf.
„Liebste Nina, wenn du wissen willst, was Eric zu sagen hat, dann solltest du ihn vielleicht nicht ignorieren und selbst mit ihm sprechen.“
„Danke, Jule. Bist du jetzt etwa auf seiner Seite? Findest du das normal, was er gemacht hat?“
„Nein, ich finde es nicht normal. Ich denke, er ist ein Arschloch. Aber wenn ich eins im Leben gelernt habe, dann, dass man jedem eine Chance geben sollte, sich zu erklären. Woher willst du wissen, was wirklich dahinter steckt. Klar, er hat ein Kind. Das war offensichtlich und es ist nicht in Ordnung, dass er es verschwiegen hat. Aber die Frau? Nina, du musst ihn anhören, um zu wissen, was dahinter steckt. Vielleicht ist es seine Ex, mit der er einfach nur ein harmonisches Verhältnis hat. Vielleicht ist es seine Schwester. Um das herauszufinden, musst du mit ihm sprechen.“
Unter der Wahrheit ihrer Ansage sacke ich in meinem Stuhl zusammen. „Warum hat er mich dann nicht gleich im Kindergarten angesprochen?“
Jule seufzt und lässt ihren Löffel in die leere Eispackung fallen.
„Schatz, hast du vielleicht nur mal eine Sekunde darüber nachgedacht, dass er keine Szene verursachen wollte, um deinen Job zu schützen. Was glaubst du wohl, wie unsere Chefin darauf abgegangen wäre, wenn sie etwas mitbekommen hätte? Außerdem warst du in den letzten Tagen, während der Bring- und Abholzeiten, spurlos verschwunden, um ihm auf jeden Fall aus dem Weg zu gehen. Da konnte er ja auch nicht mit dir sprechen. Du weißt schon, dass das kein Dauerzustand ist?“
„Ja ja, ich weiß. Aber jetzt mal Themenwechsel. Kommst du Samstag mit zu dem Spiel gegen die Lions?“
Jule sieht mich skeptisch an. „Du weißt aber schon, dass das kein echter Themenwechsel ist, oder? Wir wissen wohl beide, warum du mich dabei haben willst.“
Zugegeben, das war nicht wirklich schwer zu durchschauen. Statt einer Antwort sehe ich Jule nur an und mache einen Schmollmund.
„Ist ja schon gut. Ich bin dabei“, gibt sie sich geschlagen.
Jule ist gerade zur Tür raus, da signalisiert mir das Vibrieren meines Handys eine eingehende SMS. Diesmal kann ich nicht anders, als nachzusehen.
I miss you. Bitte, lass es mich erklären. Eric
Achtlos werfe ich mein Handy auf den Tisch und setze mich mit angezogenen Beinen heulend auf die Couch. Es klingelt und klopft an meiner Tür.
„Nina, bist du da?“ Mein Bruder. Dem ich seit Tagen aus gutem Grund aus dem Weg gehe. Hervorragend.
Ich reiße die Tür auf und lasse mich wieder auf der Couch nieder.
„Was ist los?“ Thorsten lässt sich neben mich fallen und legt mir einen Arm um die Schulter.
„Nichts.“
„Ja, genauso sieht es aus.“
„Nur Mädchenprobleme, von denen du sowieso nichts hören möchtest“, winke ich ab.
Mein Bruder lacht. „Nina, ich habe dir deine ersten Tampons und deinen ersten BH gekauft. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, dich aufzuklären. Glaubst du ernsthaft, du könntest mich mit irgendwas in Verlegenheit bringen? Vom weiblichen Geschlecht abschrecken kannst du mich ohnehin nicht. Das ist schon längst passiert.“
Jetzt muss ich doch
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