Einem Tag in Paris
sagte Simon. »Es reicht für Tage. Es reicht für die ganze Zeit, die ich nicht mit dir zusammen bin.«
Josie ließ sich in seine Arme gleiten.
»Eine Frisur«, sagt Josie und setzt sich in dem Liegestuhl auf. »Weg mit den Haaren!«
»Geht es dir besser?«, fragt Nico, während er sie ängstlich beäugt.
»Und ob.« Sie legt die Hände auf den Rücken und streckt sich, drückt den Rücken durch. Sie kann die Sonne auf ihrem Gesicht spüren. »Wohin wollen wir gehen?«
Nico steht auf und führt sie zum Ausgang des Rodin-Museums.
»In der Rue Saint-Dominique gibt es viele Geschäfte. Da werden wir etwas finden.«
»Hast du etwas dagegen?«
»Natürlich nicht.«
»Gibt es an deiner Sprachenschule Vorschriften für so etwas?«
»Was meinst du?«
»Wie du deinen Tag mit einem Kunden verbringen sollst. Ist mein Wunsch dein Befehl?«
»Im Allgemeinen ist es nicht so kompliziert. Die meisten Schüler geben sich damit zufrieden, auf dem Markt die Namen des Gemüses zu lernen.«
»Hast du dich je in eine Schülerin verliebt?«
Nico lächelt. »Vor heute?«
»Du bist nicht verliebt. Aber du bist ein wundervoller Flirt. Das kannst du in deinen Lebenslauf schreiben.«
»Kann es nicht sein, dass es Liebe ist?«
»Und was ist mit deiner französischen Privatlehrerin? Bist du nicht in sie verliebt?«
»Sie hat Philippe. Ich war nur eine Ablenkung.«
»Aber du liebst sie. Du könntest sie lieben.«
»Ich könnte dich lieben.«
»Nein. Es war nur eine dumme Frage. Ich habe zu viel Wein getrunken. Lass uns einen Friseur finden. Ich kann nicht wie ein Teenager aussehen, wenn wir in die Provence fahren.«
Josies Haar ist lang und glatt. Sie hat eine Haarspange in ihrer Handtasche, und wenn es warm ist, dreht sie ihr Haar ein und steckt es oben auf dem Kopf fest. Wenn sie es offen lässt, reicht es bis zur Mitte ihres Rückens, eine dunkle, kastanienbraune Pferdemähne, die wippt, wenn sie geht. Sie hat ihr Haar nie mehr als ein paar Zentimeter geschnitten.
Sie gehen über die Esplanade des Invalides, und Nico hebt eine Hand und fährt ihr mit den Fingern durchs Haar. Sie sieht ihn verblüfft an. Eine solch intime Berührung hat sie seit Wochen nicht mehr gespürt. Es wühlt sie auf, und dann macht es sie wütend. Sie will sich nicht erinnern.
»Es ist lästig.« Sie wirft den Kopf zurück, entzieht sich seiner Hand. »Ich habe das alles hinter mir.«
»Ein Jammer«, sagt Nico.
»Voilà«, ruft Josie, als sie in die Rue Saint-Dominique einbiegen. Sie zeigt auf die andere Straßenseite. »Perfekt.« Es ist ein kleiner Frisiersalon, mit einem Schild im Fenster, das ein shampooing et coupe für fünfundzwanzig Euro verspricht. »On y va.«
Nico folgt ihr. Josie hat bei ihrer Tour jetzt die Führung übernommen – Nico geht einen halben Schritt hinter ihr. Sie drückt die Tür des Salons auf, der von hellen Lichtern und glänzenden silbernen Oberflächen und hämmernder Technomusik erfüllt ist, und grüßt die junge Frau am Empfang. Die Frau trägt einen grasgrünen Igelschnitt. Vielleicht ist es doch nicht der richtige Ort, um eine Erwachsenenfrisur zu bekommen.
»Ich würde mir gern die Haare schneiden lassen«, sagt Josie auf Französisch zu der Frau. »Ich habe keinen Termin.«
»Das kann ich machen«, sagt die junge Frau, und im ersten Moment fragt sich Josie, ob sie wirklich Friseurin ist oder ob alle anderen vielleicht in der Mittagspause sind und die Assistentin ein bisschen Geld nebenbei machen will.
Aber kurz darauf wird Josie schon ein Umhang umgelegt, ihr Haar wird gewaschen und gekämmt, und sie starrt sich im Spiegel an. Sie sieht Nico hinter sich stehen. Die Friseurin fragt sie, was sie will, und die Musik hämmert in Josies Ohren.
»Ich will älter und weiser aussehen«, sagt Josie. »Ich will aussehen wie jemand mit einem Job und einem Freund und einem Haus auf dem Land.«
»Non«, sagt die Frau. »C’est pas possible.«
Josie sieht Nico an, als bräuchte sie eine Übersetzung. Er zuckt die Schultern. Die Frau beginnt zu schneiden.
»Augenblick«, sagt Josie. »Was haben Sie vor?«
»Ich werde Sie wie einen Filmstar aussehen lassen.«
»Ich will nicht wie ein Filmstar aussehen.«
Die Finger der Frau bewegen sich die ganze Zeit mit Lichtgeschwindigkeit, und das Schnipp-schnipp-schnipp der Schere hallt in Josies Ohren wider. Haare fallen in langen Bahnen auf den Boden.
»Jeder will wie ein Filmstar aussehen.«
»Welcher Filmstar?«, fragt Josie matt. Sie spürt wieder Übelkeit in
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