Einem Tag in Paris
Gefühl, als ob sie noch nicht wirklich angekommen ist, als ob ihre Beine noch höher steigen müssten. Sie ist seekrank, meilenweit über der See.
Als sie den Zaun erreicht, holt sie einmal tief Luft, ohne wieder auszuatmen. Es ist, als ob sie nicht loslassen will, was sie sieht. Ganz Paris liegt ausgebreitet vor ihr, von den Höhen von Sacré-Cœur über die Ufer der Seine bis zu den hintersten Winkeln jedes Arrondissements. Die Wolken wirbeln um sie herum, auf Augenhöhe, und von Zeit zu Zeit verschwindet die Stadt, und Josie ist auf halbem Weg zum Himmel. Dann vertreibt eine Windböe die Wolke, und Paris liegt, wie von Zauberhand, zu ihren Füßen.
Sie sieht genau in den Himmel, und sie sieht, was Simon in seinem kleinen Flugzeug gesehen haben muss. Wolken, Himmel, Weite. Er ist riesig und unendlich und überwältigend.
»Nimm mich mit«, hatte sie gesagt, als er ihr sagte, wie sehr er das Fliegen liebte.
Jetzt weiß sie es. Jetzt besitzt sie einen Teil von ihm, der gefehlt hat. Das hier hat er geliebt: die wilde Weite, die wechselnden Möglichkeiten von Wolken und Himmel, die Macht der Höhe.
»Danke«, sagt sie zu Nico, als er an ihre Seite tritt.
Er steht lange Zeit neben ihr. Beide schweigen, beide starren in den Himmel hinaus.
Josie erinnert sich an die Schwere von Simons Körper, nachdem sie sich geliebt haben. Danach lagen sie sich jedes Mal in den Armen, schlangen ihre Körper so eng umeinander wie möglich. »Komm noch näher«, sagte er immer. »Ja«, sagte sie dann. Nachdem sie sich beim Sex verloren hatten, landeten sie wieder und mussten diesen ganzen Raum zwischen ihnen fortnehmen.
War er am Himmel gestorben? War mit dem Flugzeug irgendetwas passiert, während es über den Himmel flog? War es das hier, was er sah, bevor er starb? Oder kam er zurück zur Erde und starb, als das Flugzeug auf den harten, unnachgiebigen Boden aufschlug? Wussten er und Brady, dass sie sterben würden? Hielten sie einander und warteten darauf, dass es geschah?
»Nimm mich mit«, hatte sie zu Simon gesagt.
Er war gegangen, ohne sie mitzunehmen.
Sie gibt einen Laut von sich, und Nico legt den Arm um sie.
Die Wolken rücken näher und umgeben sie. Sie können die Stadt unter sich nicht mehr sehen. Sie sind in silbrige schwarze Wolken gehüllt, eingelullt im Raum.
»Ich liebe ihn«, sagt Nico schließlich. »Meinen Turm. Mein Paris.«
Simon hatte gesagt, er würde nach dem Abendessen zu Josies Haus kommen. Seiner Frau sagte er, dass ein Kunde in der Stadt wäre, den er noch in seinem Hotel aufsuchen müsse, um ihm einen Drink auszugeben und mit ihm die morgige Besprechung durchzugehen. Als es an der Tür klingelte, dachte Josie, Simon wäre früh dran. Sie rannte zur Tür, riss sie auf – und sah ihren Vater auf der Türschwelle stehen, Blumen in der Hand.
»Dad!«
»Komme ich ungelegen?«
»Nein, nein, natürlich nicht. Ich bin nur überrascht.«
»Dein alter Herr war zufällig in der Gegend.«
Sie ging die möglichen Daten in Gedanken durch – es war weder der Geburtstag ihrer Mutter, ihr Hochzeitstag noch ihr Todestag.
»Du brauchst doch keine Ausrede«, sagte sie. »Komm und iss mit mir zu Abend.«
»Abendessen? Ich brauche kein Abendessen. Ich brauche nur ein bisschen Zeit mit meinem Mädchen.«
»Ich wollte eben etwas essen, Dad. Wenn du Zeit mit mir verbringen willst, musst du auch etwas essen.«
Sie trat zur Seite und ließ ihn herein. Er klammerte sich an seine Blumen, als hätte er nicht die Absicht, sie ihr zu geben.
»Riecht gut hier drinnen«, sagte er, während er ohne Umschweife auf die Küche zusteuerte.
»Ich muss nur kurz telefonieren, Dad. Schenk dir ein Glas Wein ein. Ich werfe die Nudeln gleich ins Wasser.«
»Nudeln. Wein. Ich sollte öfter kommen.«
Sie lächelte und gab ihm einen Kuss. Er kam ihr kleiner vor als sonst. Nein, sie war es nur gewohnt, auf Zehenspitzen zu stehen, um Simon zu küssen.
Sie ging in ihr Schlafzimmer und schloss die Tür. Sie musste Simon erreichen, um ihm zu sagen, dass er nicht kommen sollte. Er würde zu Hause sein, mit seiner Frau und Brady zu Abend essen. Sie würde ihn auf seinem Handy anrufen, aber trotzdem, es war riskant. Und doch musste sie es tun – sie wollte nicht, dass er hier aufkreuzte, während ihr Dad da war.
Sie wählte seine Nummer. Es klingelte und klingelte. Sie legte auf und schrieb ihm eine SMS : Ruf mich an.
Sie waren vorsichtig mit SMS -Nachrichten – es war zu leicht für seine Frau, das Telefon in die Hand zu
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