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Einem Tag in Paris

Einem Tag in Paris

Titel: Einem Tag in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Sussman
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zu ihm.
    Nico und Josie nehmen den Aufzug von der Spitze des Eiffelturms nach unten.
    »Lass uns an der Seine entlangspazieren«, sagt Nico.
    »Heute ist der erste Tag, den ich wieder in der Welt verbracht habe«, sagt Josie zu ihm, als sie den Weg zum Fluss einschlagen. Zuerst gehen sie auf dem breiten Boulevard neben der Straße; unter ihnen, zu ihrer Linken, liegt die Seine und jenseits davon, auf dem anderen Ufer, der Grand Palais. Weiter vorn liegt der Louvre. Dann führt eine Treppe sie zu einem tiefer gelegenen Weg, der den Fluss säumt und sie vor dem Verkehrslärm und dem dichten Gewühl der Fußgänger schützt.
    »Hast du dich versteckt?«
    »Versteckt?« Josie denkt über das Wort nach. »Nein, es gibt keinen Ort zum Verstecken. Ich versuche es mit dem Bett, indem ich mir die Decke über den Kopf ziehe, aber selbst dort findet sie mich und macht mich völlig fertig.«
    »Die Traurigkeit?«
    »Ich wünschte, es wäre Traurigkeit. Das erscheint mir angenehmer als das, was ich empfinde. Das ist wie ein Schlag in die Magengrube. Es ist eine Schmerzattacke.«
    »Als deine Mutter starb …« Nico führt die Frage nicht zu Ende. »Entschuldige«, sagt er. »Ich stelle zu viele Fragen.«
    »Das tust du«, sagt Josie. Aber sie hakt sich bei ihm unter und geht an seiner Seite weiter.
    Eine Weile sagen sie nichts. Die Wolken haben den Himmel verdunkelt, und wieder hören sie in der Ferne Donner grollen.
    »Ich weiß noch, als meine Mutter starb«, sagt Josie, »da dachte ich, jetzt bist du kein Kind mehr. Auf einmal war alles zu Ende. Ich hatte gerade das College abgeschlossen, ich war tausende von Meilen von meinem Elternhaus entfernt, und dann war sie nicht mehr da. Eine Zeit lang war ich wie in einem Schwebezustand – es war so anders. Damals wurde ich losgeschnitten und konnte keinen Boden mehr unter die Füße bekommen. Diese Trauer jetzt sorgt dafür, dass ich nur noch auf der Erde krieche. Ich hatte viel Sex damals. Ist das nicht seltsam? Ich habe mit jedem Typen geschlafen, den ich kannte – alten Freunden, neuen Freunden, flüchtigen Bekannten. Ich nehme an, ich habe versucht, irgendetwas zu fühlen. Und jetzt fühle ich zu viel.«
    »Was ist passiert?«
    Josie sieht ihn verwirrt an. »Ach, nicht viel. Ich habe ein oder zwei Jahre so verbracht. Und dann habe ich meinen Vater vermisst. Ganz plötzlich. Ich habe mich auf jede Lehrerstelle im Umkreis von einhundert Meilen meines Elternhauses beworben. Und so bin ich schließlich in Marin gelandet. Ich habe ihm nie gesagt, dass ich nach Hause gekommen bin, um in seiner Nähe zu sein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich ihn, nachdem ich dort angekommen war, nur selten gesehen habe.«
    Josie denkt an den letzten Besuch ihres Dads. Sie redeten nie wieder über Simon. Sie aßen Nudeln und Salat, sie tranken schweigend ihren Wein. Nach einer Weile erzählte er ihr eine lange Geschichte von zwei Jungen, die versucht hatten, seinen Lebensmittelladen auszurauben, sich aber mitten im Überfall auf einmal zu prügeln begonnen hatten. Einer der Jungen schlug den anderen mit der Faust, und sie jagten sich gegenseitig aus dem Laden. Josie sagte ihrem Dad, er solle den Laden verkaufen; vielleicht wäre Palm Springs wirklich eine gute Idee. Es war so einfach, mit ihrem Vater dazusitzen und zusammen zu Abend zu essen. Als er sich zum Gehen erhob, sagte sie: »Ich komme dich nächstes Wochenende besuchen.« Seine Miene hellte sich auf.
    Und dann starb Simon. Sie rief ihren Vater an und sagte ihm, dass sie krank im Bett läge und nicht reisen könne.
    »Ich bin das Reden leid«, sagt Josie zu Nico, aber sie lässt ihren Arm bei ihm untergehakt. »Erzähl mir von der Frau, die du liebst. Der anderen Privatlehrerin.«
    »Habe ich sie erwähnt?«
    »Das hast du. Du schläfst mit ihr, aber nicht mit ihrem Freund.«
    »Hmm. Ich muss zum Mittagessen zu viel getrunken haben.«
    »Wie heißt sie?«
    »Chantal.«
    »Ein schöner Name.«
    »Eine schöne Frau. Ich habe nur ein einziges Mal mit ihr geschlafen. Aber abends, wenn ich zu Bett gehe, sind meine Gedanken oft bei ihr.«
    »Wir nehmen in Gedanken viele Leute mit ins Bett.«
    »Ja. Das ist der einfache Teil. Die Fantasie in etwas Echtes zu verwandeln, das ist weitaus schwerer.«
    »Liebt sie dich?«
    »Vergiss nicht, sie hat einen Freund.«
    »Liebt sie ihren Freund?«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber andererseits verstehe ich nicht viel von Frauen. Er hat einen gewissen Ruf. Er ist dafür bekannt, dass er mit seinen

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