Einem Tag in Paris
unbedingt englisch, aber etwas, das jeder im Englischen sagt, auch wenn es Spanisch ist.
»Stimmt«, sagt sie. »Was Sie gesagt haben.«
Vic spricht Französisch. Er spricht es so gut, dass er sich jetzt nur noch Victor nennt. Er sagt, die Franzosen verwenden keine Spitznamen, daher ist er jetzt Victor. »Victor der Sieger.« So nennt sie ihn, wenn sie richtig sauer ist, zum Beispiel so: »Wirst du zum Abendessen zu Hause sein, Victor der Sieger?« Woraufhin er im Allgemeinen erwidert: »Nein.« Früher hat er gesagt: »Nenn mich nicht so.« Aber inzwischen ist es ihm egal. Mit »Nein« ist alles abgedeckt – es ist ein Allzweckwort. Um genau zu sein, ist es im Französischen fast dasselbe Wort, nur mit einem o in der Mitte. Non! Ich werde zum Abendessen nicht zu Hause sein!
Aber Riley ist in jeder Sprache Riley. »Wie soll ich mich denn jetzt nennen?«, hat sie Victor den Sieger gefragt. »Die rasende Riley?«
»Sehr witzig«, antwortete er.
Natürlich nennt er Gabi Gabrielle, was ihr richtiger Name ist, aber Riley wird einen Teufel tun und anfangen, ihre Tochter mit einem Namen zu belasten, der länger ist als sie selbst. Cole ist Cole ist Cole ist Cole. Gott sei Dank.
Nennt irgendjemand Philippe Phil? Im Bett vielleicht? Jetzt sind sie wieder bei dem lit und der lampe und all den Dingen de la chambre. Riley lernt ein paar neue Wörter, während sie auf das Buch starrt. Dann stellt sie sich ihre Mutter in dem Bett auf dem Bild vor. Als Riley klein war, kletterte sie oft zu ihrer Mutter ins Bett, und sie lasen gemeinsam, Seite an Seite, während sich ihre Baumwollärmel berührten. Ihre Mutter summte oft, aber sie behauptete, sie würde es nicht tun. Und jetzt summt Riley, wenn sie Cole badet. Es ist dieselbe Melodie. Wie kann sie ihre Mutter fragen, was für eine Melodie das ist, wenn ihre Mutter sagt, dass sie nie summt? Riley spürt eine gewisse Dringlichkeit und starrt auf ihre Mutter in dem Bett. Das Bild beginnt zu verblassen, bis sie – paff – verschwunden ist und eine gottverdammte Träne auf die Seite des Buchs platscht.
Philippe sagt etwas, mit echter Besorgnis in seinem entzückenden Gesicht, und Riley wischt sich die Augen, schüttelt den Kopf und sagt: »Rien, rien.« Erstaunlich, was für Worte zum Vorschein kommen, wenn sie sie braucht.
Aber im nächsten Augenblick packt Philippe ein. Männer und Tränen. Sie erwartet halb, dass er zur Tür hinausstürmt und sie allein zurücklässt, aber im letzten Moment gibt er ihr ein Zeichen, ihm zu folgen.
Egal.
Sie stehen vor dem Café, mitten im Marais, und sehen sich an.
Philippe sagt etwas.
Riley lächelt.
»Bon«, sagt er.
Er nimmt sie beim Arm, und sie beginnen, die Rue des Francs-Bourgeois hinunterzugehen.
Zum ersten Mal in diesem Jahr, seit sie hier ist, kommt sich Riley französisch vor. Sie geht neben einem Franzosen – einem gut aussehenden Franzosen noch dazu –, und anstelle von Arztterminen und Spielplatzbesuchen und Käufen von pain au chocolat gibt es nur dies: ein Geheimnis. Sie hat keine Ahnung, wohin sie gehen. Sie wurde unvermittelt aus ihrem Leben in einen französischen Roman versetzt.
Es macht nichts, dass Riley erbärmlich amerikanisch aussieht. Bevor sie nach Paris zog, sagten alle zu ihr: »Was immer du tust, trag bloß keine Turnschuhe.« Sie hat sie alle zurückgelassen. Und jetzt, in einem raschen Wechsel der Modetrends, trägt jede verdammte Französin kleine weiße Turnschuhe. Aber es ist nicht die Kleidung, es sind die Brüste. Niemand in Frankreich hat Brüste dieser Größe. Sie hat versucht, sich einen neuen BH zu kaufen, und war es bald leid, wie die Verkäuferinnen die Augen verdrehten und bedauernd den Kopf schüttelten. Und dann sind da noch die Haare! Sie hat lange, lockige Haare, wilde Haare, Haare, die sich nicht mit Gummibändern oder Haarspangen bändigen lassen. Sie wirbeln ihr um den Kopf wie Konfetti. »Schneid sie ab«, sagte Vic. »Non!«, sagte sie zu ihm. Sie liebt ihre Haare.
Und so ist sie irgendwie an einem Punkt in ihrem Leben angelangt, an dem sie wie ein Pornostar aussieht. Sie hat wallende Haare und hohe Absätze und riesige Brüste. In New York würden alle wissen, dass sie kein Pornostar ist, denn sie ist schlau und witzig, und die Kleider, die sie trägt, sind kultiviert, und sie hat ihre Turnschuhe. Aber hier gibt es für das alles nur eine einzige Übersetzung: »Fick mich!«
Vielleicht ist es das, was Philippe vorhat, denkt Riley. Sie verscheucht die Gedanken an ihre
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