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Einem Tag in Paris

Einem Tag in Paris

Titel: Einem Tag in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Sussman
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ihnen auszufüllen.
    Ihre Absätze klappern über den Gehweg, während sie die Straße hinunterhastet.
    Zwanzig Minuten später ist sie zu Hause. Gabi hält ihr Nickerchen – mit einer frischen Windel –, und Cole spielt mit der Mom der Babysitterin Dame. Riley bezahlt der Frau das Doppelte von dem, was sie normalerweise bezahlen würde, und bedankt sich zu oft, während sie die Frau zur Tür hinausschiebt. Cole schlingt die Arme um Rileys Bein, als wäre sie jahrelang fort gewesen.
    »Rufen wir Nana an«, sagt Riley.
    »Nana!«, wiederholt Cole hingerissen. Er liebt seine Oma.
    In Florida ist es früh am Morgen – ihre Mutter wird in ihrem Wintergarten mit Blick auf einen Golfplatz sitzen und die Zeitung lesen. In Paris ist es früh am Nachmittag – Riley und Cole sitzen in der Essecke mit Blick auf den darunterliegenden Hof. Ein kleines Mädchen, die Enkelin der Concierge, steht in der Mitte des Hofs, den Mund zu einem weiten »O« geöffnet.
    »Mach das Fenster auf«, sagt Riley. »Ich glaube, sie singt.«
    Cole klettert auf den Stuhl und schiebt das Fenster auf. Es quietscht, und das Mädchen sieht zu ihnen hoch, mitten im Ton ertappt. Sie hält inne, und der Klang des Lieds liegt in der Luft. Im nächsten Augenblick singt sie wieder, mit dünner, hoher Stimme. Es ist ein schönes Lied, und sie beobachtet die beiden, während sie singt.
    »Mom«, sagt Riley, als ihre Mutter ans Telefon geht.
    »Fang jetzt bloß nicht an, mich vor lauter Sorge alle zwei Minuten anzurufen«, sagt ihre Mom.
    »Ich will nur mit dir reden«, sagt Riley leise.
    »Ist mein kleiner Lieblingsmann da?«
    »Cole.« Riley reicht ihm das Telefon. »Sie will dich.«
    »Nana?«, fragt Cole.
    Er hört zu, aber er wendet den Blick nicht ein einziges Mal von dem Mädchen unten im Hof ab. Er hat die Stimme seiner Großmutter in einem Ohr und ein Kinderlied in dem anderen. Sein Lächeln breitet sich über sein ganzes Gesicht aus.
    »Ich liebe dich auch«, sagt er, vermutlich zu allen beiden.
    Er reicht Riley das Telefon.
    »Es geht mir gut«, sagt ihre Mutter sofort. »Ich werde mich operieren lassen, sie werden den Tumor entfernen.«
    »Chemo«, sagt Riley. Das ist alles, was sie sagen kann.
    »Dann mache ich eben eine Chemo. Ich werde nicht die Erste sein.«
    »Was sagt der Arzt?«
    »Er sagt, dass wir alle mit vierundsechzig so hart im Nehmen sein sollten. Er sagt, was ich schon längst weiß. Ich bin eine Kämpferin.«
    »Und wie kommt es, dass du nichts von diesem Kampfgeist an mich weitergegeben hast?«
    »Du hast jede Menge Kampfgeist. Wer sonst zieht denn mit zwei kleinen Kindern ans andere Ende der Welt?«
    Riley sieht sich in der Küche um – sie ist ganz in Weiß gehalten, als würden Außerirdische oder Nonnen hier leben.
    »Du bist die Einzige, mit der ich je rede.«
    »Redest du denn nicht mit deinem Mann?«
    »Nein, Ma. Nicht viel.«
    »Er ist ja auch nie da. Wer nimmt denn seine Frau mit ans andere Ende der Welt und lässt sie dann ganz allein?«
    »Vic.«
    »Ach, Schatz.«
    Zum Glück starrt Cole aus dem Fenster, sodass er die Tränen nicht sieht, die Riley übers Gesicht laufen.
    »Ich komme nach Hause«, sagt Riley.
    »Nein. Bleib, wo du bist, und regle deine Probleme. Du hast zwei kleine Kinder. Du kannst nicht einfach jedes Mal durch die ganze Welt düsen, wenn du einen kleinen Streit mit deinem Mann hast.«
    »Es ist kein kleiner Streit. Und es ist nicht durch die ganze Welt. Es ist nur ein Ozean. Es ist ein sechsstündiger Flug.« Rileys Mutter hat die Vereinigten Staaten nie verlassen, ist nie spontan in ein Flugzeug gesprungen, hat nie nach dem Abendessen einen Käseteller gereicht.
    »Sag deinem Mr Internationaler Geschäftsmann, er soll seiner Frau ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken. Sag ihm, seine Schwiegermutter hat es gesagt.«
    »Das ist nicht so leicht, Ma.«
    »Nichts ist leicht, Riley. Niemand hat je behauptet, das Leben wäre leicht. Deine Kinder …«
    »Fang nicht wieder damit an.« Riley hasst den »Deine Kinder«-Vortrag. In ihrem Leben hat ihr sowieso nie jemand irgendwas auf einem silbernen Tablett serviert.
    Ihre Mutter ist wieder still, und das macht Riley allmählich Sorgen. Ihre Mutter ist nie um Worte verlegen gewesen. Sie sprudeln einfach immer aus ihr hervor.
    »Dein Vater ist an jedem Tag der Woche nach Hause gekommen, um mit seiner Familie zu Abend zu essen«, sagt ihre Mutter schließlich.
    Riley hört diese Lobeshymne nun schon seit Jahren, und obwohl sie weiß, dass sie nicht

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