Einem Tag mit dir
draußen stehen. Sie hielt sich den Bauch, das Gesicht schmerzverzerrt. »Anne!«, stöhnte sie. »Es geht los!«
Ich überlegte nicht groß, wie sie uns gefunden hatte, dazu blieb keine Zeit. »Wir müssen dich ins Lazarett bringen!«, sagte ich.
»Nein!«, rief sie. »Ich will nicht, dass die anderen Schwes tern mich so sehen! Außerdem ist es dafür zu spät! Das Kind kommt schon!«
Westrys Augen weiteten sich vor Staunen, als ich Kitty in die Hütte und dann aufs Bett half. Es brach mir das Herz, sie solche Schmerzen leiden zu sehen. Man müsste Lance dafür bestrafen, dass er sie geschwängert und dann fallen gelassen hatte, dachte ich. Kopfschüttelnd wischte ich Kitty den Schweiß von der Stirn und sandte ein stilles Gebet zum Himmel. Bitte, lieber Gott, steh Kitty bei und gib mir die Kraft, die ich brauche!
Kitty stöhnte immer lauter. Irgendetwas stimmte nicht, das spürte ich ganz deutlich. Ich musste an Titas unheimliche Prophezeiung denken, und ein Schauder kroch mir über den Rücken. Aber ich schüttelte den Gedanken schnell wieder ab, denn ich musste mich jetzt konzentrieren. Ich half Kitty, eine bequeme Position auf dem Bett zu finden, und kniete mich zwischen ihre Beine. Mit zittern den Händen schob ich ihr Kleid hoch und versuchte krampfhaft, mich zu erinnern, was wir in unserer Ausbildung über Geburtshilfe gelernt hatten. Heißes Wasser. Geburtszange. Äther. Decken. Ich schüttelte mich. Ich hatte nichts als meine Hände zur Verfügung.
Sie blutete. »Kitty«, sagte ich, als sie einen Schrei ausstieß. »Du musst pressen.«
Vor lauter Schmerzen schien sie mich überhaupt nicht zu hören. Ich drückte ihre Hand. »Kitty«, sagte ich, »hör mir zu. Das Kind kommt, und du musst mir helfen. Du musst pressen. Du musst jetzt stark sein.«
»Anne, lass mich dir helfen«, sagte Westry, der schließlich seine Stimme wiedergefunden hatte.
Er kniete sich neben mich. Die Laterne beleuchtete seine Haut, die in den vergangenen Monaten dunkler geworden war. Er musste Schreckliches durchgemacht haben, und jetzt, kaum war er zurückgekehrt, wurde er mit dieser Situation konfrontiert.
Westry befeuchtete sein Taschentuch mit Wasser aus seiner Feldflasche und betupfte Kittys Stirn, während ich sie durch die nächste Wehe begleitete. »Ich kann das Köpf chen schon sehen«, sagte ich. »Bald ist es vorbei.«
Kitty schaute Westry dankbar an. Er hielt ihre Hand und streichelte ihr den Kopf. Noch eine Wehe, und das Kind glitt in meine Arme.
»Ein Mädchen!«, rief ich aus. »Kitty, es ist ein Mädchen!«
Westry durchtrennte die Nabelschnur mit seinem Taschenmesser, dann legte ich Kitty das Baby in die Arme, und sie drückte es an sich.
»Wir brauchen Decken«, sagte ich, als ich sah, dass Kitty zitterte.
Westry deckte Kitty mit unserer Decke zu, dann knöpfte er sein Hemd auf. »Hier«, sagte er, »damit können wir das Baby wärmen.« Vorsichtig wickelte er das Neugeborene in sein olivgrünes Armeehemd, das nach Wochen an der Front ziemlich zerfetzt und voller Blutflecken war.
Nachdem wir Kitty und das Kind versorgt hatten, gingen wir nach draußen und setzten uns in den Sand. Ich konnte meine Gefühle nicht länger unterdrücken.
»Nicht weinen«, sagte Westry. »Sie schläft jetzt. Kein Arzt und keine Hebamme hätten es besser machen können als du.«
Ich nickte und wischte mir die Tränen fort. »Ich hätte ihr einfach etwas anderes gewünscht. Man müsste Lance vors Kriegsgericht stellen!«
Westry schaute mich verwirrt an, nickte jedoch. »Und was wird jetzt aus dem Baby?«
»Ein Missionarsehepaar hier auf der Insel ist bereit, es aufzunehmen«, sagte ich. »Kitty hat sich einverstanden erklärt, aber« – ich zeigte auf die Hütte – »es wird ihr bestimmt sehr schwerfallen.«
»Sobald sie aufstehen kann, trage ich sie ins Camp«, sagte er. »Du trägst das Kind.«
Ich nickte. »Am besten, wir bringen sie zurück, bevor die Sonne aufgeht, damit uns niemand sieht.«
Westry streichelte mir zärtlich übers Haar. »Anne«, sagte er, »du hast mir furchtbar gefehlt.«
Meine Augen füllten sich mit Tränen. »Und ich habe Tag und Nacht Angst um dich gehabt.«
»Es war die Hölle«, sagte er. »Und das Einzige, was mich aufrechterhalten hat, war die Gewissheit, dich wie derzusehen.«
Ich schmiegte mein Gesicht an seine nackte Brust. »Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn du nicht zurückgekommen wärst«, sagte ich. »Ich weiß nicht, ob ich das überlebt hätte.«
Er nahm meine
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