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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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den Finger, an dem ich einmal den Verlobungsring getragen hatte, und seufzte.
    »Gut«, sagte mein Vater, der angefangen hatte, die Zeitung zu lesen. »Ich habe ihn gebeten, gegen zwei herzukommen.«
    Von meinem Zimmer aus hörte ich, wie Gerard vor unserem Haus hielt, aus dem Auto stieg und die Stufen zur Haustür hochging. Ich erstarrte. Was sollte ich ihm sagen? Wie sollte ich mich verhalten?
    Maxine steckte den Kopf zur Tür herein und zeigte auf die Treppe. »Er ist da, Antoinette«, sagte sie leise. »Bist du so weit?«
    Ich glättete mein Haar und ging zur Treppe. »Ja«, sagte ich und holte tief Luft.
    Erste Stufe, zweite Stufe . Ich hörte Gerard im Wohnzimmer mit meinem Vater reden. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Dritte Stufe, vierte Stufe . Stille. Fünfte Stufe, sechste Stufe . Und dann stand er da, am Fuß der Treppe, und schaute mich so liebevoll an, dass ich meinen Blick nicht mehr von ihm abwenden konnte.
    »Anne!«, sagte er.
    »Gerard!« Mir versagte beinahe die Stimme. Sein linker Arm ruhte in einer Schlinge.
    »Willst du noch lange da stehen bleiben, oder meinst du, dass ein verwundeter Soldat zur Begrüßung einen Kuss verdient hat?«
    Ich lächelte und flog ihm an den Hals. Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange, und einen Moment lang fühlte es sich so an, als wären wir nie getrennt gewesen.
    Mein Vater räusperte sich und nickte Maxine zu. »Wir lassen euch zwei dann mal allein«, sagte er lächelnd. »Ihr habt euch bestimmt eine Menge zu erzählen.«
    Gerard nahm mich an der Hand und führte mich zum Sofa im Wohnzimmer. Dann schloss er die doppelflügelige Tür. »Ach, Anne, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr du mir gefehlt hast«, sagte er und setzte sich neben mich.
    Ich hatte ganz vergessen, wie unglaublich gut er aussah. »Tut mir leid, dass ich nicht öfter geschrieben habe«, erwiderte ich.
    »Das macht nichts«, sagte er liebevoll. »Ich weiß doch, dass du viel zu tun hattest.«
    Wenn ihm der wahre Grund bekannt wäre, würde er mir auch dann verzeihen?
    »Dein Arm«, sagte ich und berührte vorsichtig seine Schulter. »Ach Gerard, mein Vater sagt, du wirst ihn vielleicht nie wieder richtig gebrauchen können.«
    Er verzog verächtlich den Mund, dann sagte er: »Ich hätte auch sterben können.« Er senkte den Blick. »Alle um mich herum wurden niedergemetzelt. Ich begreife gar nicht, warum ich davongekommen bin.«
    Ich sah, dass Gerard ebenso wie ich eine schwere Last mit sich trug. Allerdings eine ehrenvollere.
    Er nahm meine Hand, die linke. Er sah, dass der Verlobungsring fehlte.
    »Gerard, ich …«
    Er schüttelte den Kopf. »Du brauchst mir nichts zu erklären«, sagte er. »Ich bin einfach nur froh, dich wiederzuhaben.«
    Ich legte den Kopf an seine Schulter.
    September 1944
    »Ist es nicht unfassbar, dass ich tatsächlich bald heirate?«, sagte ich zu Maxine, während ich mein weißes Brautkleid bewunderte, das meine Mutter vor dem Krieg aus Frankreich geschickt hatte.
    »Du siehst wunderschön aus, Antoinette«, sagte Maxine und befestigte eine Nadel an meiner Korsage. »Wir sagen der Schneiderin, sie soll es hier ein bisschen enger machen. Hast du abgenommen?«
    Ich zuckte die Schultern. »Das sind die Nerven.«
    »Liegt dir etwas auf der Seele, Liebes? Du weißt, dass du es mir sagen kannst.«
    Ehe ich ihr eine Antwort geben konnte, klingelte das Telefon. »Ich gehe ran«, sagte ich und lief nach unten in die Küche. »Das wird Gerard sein.«
    »Hallo«, sagte ich fröhlich und ein bisschen außer Atem. »Rate mal, was ich gerade anhabe!«
    Es knackte in der Leitung. »Anne?«, fragte eine vertraute weibliche Stimme. »Anne, bist du das?«
    »Ja«, antwortete ich. »Mit wem spreche ich?«
    »Ich bin’s, Mary!«
    Ich schnappte nach Luft. »Mary! Mein Gott, wie geht es dir?«
    »Gut«, sagte sie. »Ich habe nicht viel Zeit, deswegen fasse ich mich kurz. Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten.«
    Ich spürte, wie ich erbleichte. Mary. Schlechte Nachrichten . »Was ist passiert?«
    »Ich bin in Paris«, fuhr sie fort. »Ich bin hier wegen Edward, aber das erzähle ich dir ein andermal. Du hast bestimmt gehört, dass die Alliierten die Stadt befreit haben.«
    »Ja«, sagte ich, noch immer ganz fassungslos, Mary in der Leitung zu haben.
    »Es ist unglaublich, dass die Alliierten hier sind, Anne. Es ist ein Wunder. Wir hatten kaum noch zu hoffen gewagt, dass es dazu kommen würde.« Sie zögerte. »Aber was ich dir sagen wollte … Heute habe ich Kitty im Lazarett

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