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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jio
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Aquamarin bevorzugen. Was meinst du, Liebes?«
    »Aquamarin scheint mir ein bisschen knallig für dieses Zimmer«, sagte ich.
    »Das ist genau der Effekt, der mir vorschwebt«, sagte sie, während sie mit einer Hand über die Wand fuhr. »Knallig. Dein Vater war immer so traditionell.« Sie trank ihr Glas aus und fügte kichernd hinzu: »Jetzt brauche ich nicht mehr traditionell zu sein.«
    Ich nickte, aber solange sie sich in diesem Zustand befand, würde ich nicht mit ihr über meinen Vater sprechen.
    Sie schüttelte den Kopf. »Was rede ich nur für ein dum mes Zeug«, sagte sie und nahm eine kleine Glocke von einem Beistelltisch. »Du bist bestimmt müde. Ich lasse Minnie kommen.«
    Auf ihr Klingeln hin erschien eine kleine Frau etwa in meinem Alter. »Minnie, seien Sie so lieb und begleiten Sie Anne auf ihr Zimmer.«
    »Ja, Ma’am«, sagte Minnie mit einer Piepsstimme und nahm meine Tasche.
    »Gute Nacht, Liebes«, sagte meine Mutter und streichelte mir die Wange. »Ich weiß, du kannst nicht lange bleiben, aber morgen früh werden wir beide uns ausgiebig amüsieren, ehe du aufs Schiff gehst.«
    »Gute Nacht«, sagte ich und folgte Minnie die Treppe hoch, während meine Mutter das Barfach im Schrank öffnete und die Ginflasche herausnahm.
    Am nächsten Morgen weckte mich eine Hupe vor meinem Fenster im zweiten Stock. Ich zog mir ein Kissen über den Kopf und hoffte, noch ein bisschen schlafen zu können, aber ich hatte kein Glück. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war gerade mal zwanzig vor sieben. Trotzdem stand ich auf und zog mich an. Meine Mutter würde mich schon erwarten, und ich wollte bis zu meiner Abreise so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen.
    Im Erdgeschoss fiel gerade das erste Tageslicht durch die Fenster und ließ das Haus noch einsamer erscheinen, als es mir am Abend zuvor erschienen war. An den Wänden hingen weder Fotos noch Gemälde. Dabei hatte meine Mutter immer ein Faible für Gemälde gehabt.
    »Guten Morgen, Miss«, sagte Minnie schüchtern von der Küche aus. »Möchten Sie Kaffee oder Tee?«
    »Tee, bitte«, sagte ich lächelnd.
    Kurz darauf erschien sie mit einer Tasse Tee, einer Scha le Obst, einem Croissant und einem gekochten Ei auf einem Tablett.
    »Sollte ich nicht lieber auf meine Mutter warten?«, fragte ich mit einem Blick auf das Tablett.
    Minnie wirkte verunsichert. »Na ja«, sagte sie. »Also …«
    »Was ist denn los, Minnie?«
    »Mr. Schwartz war gestern Abend hier«, antwortete sie verlegen und schaute mich an, als hoffte sie, dass ich verstehen würde, was sie damit meinte.
    »Sie meinen Leon?«
    »Ja, Ma’am«, sagte sie. »Er ist gekommen, als Sie schon im Bett waren.«
    »Ach so«, sagte ich. »Schläft meine Mutter noch?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Ist Mr. Schwartz immer noch hier, Minnie?«
    Sie betrachtete ihre Füße.
    »Ja, nicht wahr?«
    Minnie schien erleichtert darüber, das Geheimnis mit jemandem teilen zu können. »Wenn er über Nacht bleibt, sehe ich sie meistens nicht vor Mittag, manchmal auch erst nach eins.«
    Ich nickte, bemüht, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Dann werde ich hier frühstücken«, sagte ich und nahm ihr das Tablett ab. »Vielen Dank.«
    »Äh, Miss Anne«, stotterte Minnie nervös. »Sie werden Mrs. Calloway doch nicht verraten, dass ich Ihnen das erzählt habe, oder?«
    Ich tätschelte ihr beruhigend die Hand. »Natürlich nicht«, versicherte ich ihr. »Das bleibt unser Geheimnis.«
    Eine Stunde später verließ ich das Haus. Ich hatte noch fünf Stunden, bevor ich aufs Schiff musste. Ich winkte einem Taxi.
    »Wohin, Miss?«, fragte der Fahrer.
    »Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Ich habe nur ein paar Stunden zur Verfügung. Können Sie mir etwas empfehlen?«
    Als der Fahrer lächelte, blitzte ein Goldzahn auf. »Das ist ja ein Ding. Normalerweise wissen die Leute hier immer genau, wohin sie wollen.«
    Ich hob die Schultern und schaute zum Schlafzimmerfenster meiner Mutter hoch. Die Vorhänge waren immer noch zugezogen. »Früher habe ich auch immer geglaubt, ich wüsste, wo ich hinwollte. Ich dachte, ich wüsste, wo es langgeht, aber …«
    Der Fahrer wirkte allmählich beunruhigt. »Hören Sie, Miss«, sagte er. »Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das haben Sie nicht.«
    »Moment«, sagte er und zog eine Broschüre aus seiner Jackentasche. »Interessieren Sie sich für Kunst?«
    Ich dachte an das Bild, das ich in der Hütte zurückgelassen hatte. Was hätte ich dafür

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