Einen Stein für Danny Fisher: Roman
man ihre Ruhe gestört hatte.
"Mr. Fisher!" rief eine Stimme.
Ich drehte mich um. Der Häuseragent kam hinter uns den Fahrweg entlang. Ich winkte ihm.
"Sind Sie jetzt bereit, sich das Haus anzusehen, Mr. Fisher?" fragte er.
Ich nickte. Ich war bereit.
Der Holzboden knackte gemütlich unter meinen Füßen. Es klang wie ein Willkommensgruß. "Hallo, Danny Fisher", schien mir das Haus leise zuzuflüstern. Die bisher durch alle Fenster strahlende Sonne verschwand hinter einer Wolke, und das Zimmer wurde dunkel.
Ich blieb auf der Schwelle meines alten Zimmers stehen. Nellie und der Agent befanden sich in einem andern Teil des Hauses. Ich trat leise in das Zimmer und schloß hinter mir die Tür.
Das hatte ich schon einmal, vor langer Zeit, getan. Ich hatte mich damals auf den Boden geworfen und meine glühenden Wangen auf das kühle Holz gepreßt. Heute war ich zu erwachsen, um es zu tun, aber eines Tages würde es mein Sohn an meiner Stelle machen.
"Es ist sehr lange her, Danny", schien mir das Zimmer zuzuflüstern. Ja, es ist eine sehr lange Zeit gewesen. Ich betrachtete den Boden, aber es war kein dunkler Fleck mehr zu sehen, wo Rexie zu liegen pflegte. Vieles Bürsten und viel Politur hatten ihn verschwinden lassen. Auch der Originalbewurf der Wände war unter vielen Farbschichten verschwunden, ebenso wie der Plafond unter vielen Kalkschichten. Das Zimmer erschien mir wesentlich kleiner, als ich es in Erinnerung hatte. Vielleicht deshalb, weil ich es aus einer Zeit im Gedächtnis behalten hatte, in der ich selbst noch klein war und alles aus meiner eigenen Perspektive sah. Ich schritt durch das Zimmer und öffnete eines der Fenster. Instinktiv sah ich über den Fahrweg hinweg zum andern Haus hinüber.
Vor vielen Jahren hatte dort drüben in dem Zimmer ein Mädchen gewohnt. Ich bemühte mich, auf ihren Namen zu kommen, es gelang mir aber nicht, ich erinnerte mich bloß daran, wie sie ausgesehen hatte, wenn sie im Licht der elektrischen Beleuchtung dagestanden war. Als ich in die gegenüberliegenden Fenster blickte, glaubte ich wieder ihre verschleierte Stimme zu hören, die mich rief. Doch sie waren leer und die Jalousien herabgelassen.
Ich wandte mich wieder in das Zimmer zurück. Es schien von Eigenleben erfüllt. "Ich habe dich vermißt, Danny", flüsterte es, "bist du jetzt für immer nach Hause zurückgekehrt? Ohne dich war's schrecklich einsam."
Ich war entsetzlich müde und lehnte mich an die Fensterbank. Auch ich war einsam gewesen. Ich hatte das Haus stärker vermißt, als ich ahnte. Jetzt wußte ich, was Nellie gemeint hatte. In diesem Haus gab es eine Verheißung, die, wie ich ahnte, in Erfüllung gehen würde. Sie war überall aufgezeichnet, wohin ich mich auch wendete. "Ich werde deinen Sohn behüten, Danny, wie ich dich behütet habe. Ich werde ihm dabei helfen, groß und stark zu werden, glücklich und zufrieden, weise und verständig. Ich werde ihn lieben, wie ich dich liebe, Danny, wenn du gekommen bist, um hier zu bleiben."
Von der Halle her war ein Geräusch zu vernehmen und gleich darauf öffnete sich die Tür. Nellie und der Agent traten ins Zimmer. Sie warf mir einen Blick zu und kam auf mich zugeeilt. "Danny, fühlst du dich ganz wohl?" Ihre Stimme klang in dem leeren Zimmer herzlich und warm.
Langsam fand ich in die Wirklichkeit zurück. Tiefe Besorgnis stand in ihren Augen, als sie zu nnr aufsah. "Ganz wohl?" wiederholte ich ihre Frage."Na-türlich fühle ich mich ganz wohl."
"Aber du bist so blaß", sagte sie.
In diesem Augenblick kam die Sonne wieder hinter den Wolken hervor. "Ach, das ist bloß die Beleuchtung", sagte ich lachend und fühlte mich auch wieder ganz normal.
Sie wandte die Augen nicht von mir ab. "Bist du noch immer überzeugt, Danny, das Richtige zu tun?" fragte sie besorgt. "Gibt's keine quälen^fn Gespenster?"
Ich sah sie überrascht an. Ich glaubte nicht an Gespenster. "Keine Gespenster", sagte ich leise.
Der Häuseragent sah mich neugierig an. "Ihre Frau erzählte mir, daß Sie früher hier gewohnt haben, Mr. Fisher."
Ich nickte.
Da grinste er übers ganze Gesicht. "Nun, in dem Fall brauche ich Ihnen ja nichts über das Haus zu erzählen, und wie gut es gebaut ist. Die Häuser, die in letzter Zeit gebaut wurden, sind nicht annähernd so solid konstruiert. Was halten Sie davon, Mrs. Fisher?"
Sie blickte ihn einen Moment an, dann wandte sie sich wieder an mich. "Was glaubst du, Danny?"
Ich holle tief Atem, dann sah ich mich um. Ich wußte, was ich sagen
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