Einen Stein für Danny Fisher: Roman
fragte ich scherzend.
"Nein", antwortete sie.
"Wahrscheinlich, weil ich bisher noch keine Zeit dazu hatte", sagte ich grinsend. "Ich will's also jetzt sagen. Du bist eine kleine Schönheit, wie ein Filmstar."
"Ach, Danny", sagte sie und hielt meine Hand ganz fest.
"Ich glaub, du mußt jetzt gehen", sagte ich einsichtsvoll.
Sie nickte.
"Also dann - gute Nacht", sagte ich und ließ ihre Hand los.
"Werde ich dich ... Wiedersehen , Danny?" Ihre Stimme war ganz klein.
"Natürlich", sagte ich rasch und grinste. "Ich komm morgen zu dir in den Laden."
Ihr Gesicht erhellte sich. "Und ich mach dir dann eine ganz besondere Eiscreme, mit drei Löffel Creme."
"Mit drei Löffel?!" rief ich. "Nein, da kann ich nicht wegbleiben."
Sie lachte wieder. "Gute Nacht, Danny."
"Gute Nacht, Baby."
Sie war im Begriff, über die Straße zu gehen, drehte sich aber nochmals zu mir um. Ihr Gesicht hatte einen bekümmerten Ausdruck. "Aber du bringst deine Freunde nicht wieder mit, nicht wahr? Sie könnten erwischt werden."
"Machst du dir etwa Sorgen um sie, Nellie?" sagte ich lachend.
"Ach, um die kümmer ich mich nicht", sagte sie ungestüm. "Ich mach mir bloß Sorgen um dich."
Ich fühlte, wie warm mir bei ihren Worten wurde. Sie war ein gutes Ding. "Ich bring sie bestimmt nicht mit."
Sie sah aber noch immer ernst aus. "Mußt du dich mit ihnen rumtreiben und solche Sachen machen, Danny? Du kannst leicht dabei geschnappt werden. Kannst du denn keinen Job finden?"
"Nein", antwortete ich steif, "meine Leute erlauben nicht, daß ich das Gymnasium aufgebe."
Sie griff wieder nach meiner Hand und drückte sie teilnehmend, während in ihren Augen tiefe Besorgnis zu lesen war. "Sei vorsichtig, Danny", sagte sie sehr leise.
Ich sah sie lächelnd an. "Bestimmt", versprach ich.
Sie trat auf den Gehsteig zurück und küßte mich rasch. "Gute Nacht, Danny."
"Nacht, Baby."
Ich sah ihr nach, während sie über die Fahrbahn lief und schließlich in ein Haustor trat. Dort blieb sie eine Sekunde stehen und winkte mir. Ich winkte zurück. Dann verschwand sie im Hausflur.
Ich drehte mich um und lief die Straße hinunter. Ich war sehr froh. Ich fühlte mich so wohl, daß ich beinahe vergaß, wie sehr ich es haßte, in dieser Umgebung wohnen zu müssen, bis ich die Delancey Street überquerte und vor Papas Geschäft wieder diesen Mr. Gold stehen sah.
4
Er stand vor dem Geschäft und steckte soeben einen kleinen Lederbeutel in seine Tasche. Ich wußte sofort, was es war. Es war einer jener Beutel, die man dazu verwendete, bei einer Bank Geld in den Nachttresor zu legen.
Automatisch drückte ich mich in einen Torweg und beobachtete ihn. Ein Blick auf meine Uhr belehrte mich, daß es wenige Minuten nach zwölf war. Er sah nochmals in das Schaufenster, dann ging er die Delancey Street in Rich-tung Essex Street entlang. Ich folgte ihm langsam und blieb immer einen halben Häuserblock hinter ihm zurück.
Zuerst wußte ich nicht, weshalb ich es tat, aber nachdem ich einige Zeit hinter ihm hergegangen war, wurde mir's plötzlich klar. Jetzt bog er in die Essex Street ein und ging bedeutend rascher. Ich hielt mich auf der andern Straßenseite, immer mit ihm im Gleichschritt, während meine Idee rasch Gestalt annahm.
Er begab sich zu der Bank an der Ecke der Avenue A und der First Street. Dort nahm er den kleinen Beutel aus der Tasche und ließ ihn in den Behälter für Nachteinlagen gleiten. Hierauf drehte er sich um und ging die Avenue A hinauf.
Ich blieb an der Ecke stehen und sah zu, wie er weiterging. Er interessierte mich jetzt nicht mehr.
Ich zündete mir eine Zigarette an und begann nachzudenken.
Als ich zum erstenmal in die Gegend gekommen war, erschien sie mir wie eine andere Welt. Und das war sie auch. Es war eine ganz andere Welt als die, die ich bisher gekannt hatte. Hier gab's nur ein Gesetz: kämpfen oder verhungern. Und dabei gab's keine Hemmungen.
Die Kinder wußten das sogar noch besser als die Erwachsenen. Sie wurden dazu erzogen, sobald sie nur konnten für sich selbst zu sorgen, zu betteln und zu stehlen. Sie waren zäher, verbitterter und zynischer, als ich mir je hätte vorstellen können. Es gab nur eines, was mich davor bewahrte, von ihnen getötet zu werden: ich konnte besser boxen als sie und in vieler Beziehung auch rascher denken.
Es hatte allerdings Zeit gekostet. Eine Weile hatten sie mich scheel angesehen, denn sie wurden aus mir nicht recht klug. Nach der Prügelei, die ich an dem Tag hatte, an dem Rexie
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