Einer kam durch
Bootsmannes. ›Master of Arms Arthur Wood‹ stand unter dem Bild, das sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Chief aufwies.
»Wie ist es?« fragte der Chief. »Kommen Sie in Halifax mit, Werra?«
Der Flieger schüttelte den Kopf. »Ist mir zu verdammt weit von dort bis nach den USA. Will erst ein Stück fahren und dann jumpen. Wagner kennt Kanada. Die beste Gelegenheit, den Zug zu verlassen, liegt hinter Montreal, sagt er. Von dort ist es nur ein Tagesmarsch bis zur Grenze.«
»Schön«, sagte der Chief. »Aber wie stellen Sie sich das vor? Einen Tag durch Kanada laufen? Ziemlich aussichtslos in dem Land! Und noch dazu im Winter! Da fahre ich lieber mit dem Schiff, das ist sicherer. Es wird ja wohl mal ein Neutraler nach Halifax kommen. Mit dem fahre ich als blinder Passagier.«
Doch Werra ließ sich nicht überzeugen. Er sagte: »Diesmal werde ich mich auf nichts verlassen als auf meine beiden Beine. Kein Flugzeug, kein Schiff, kein Risiko. Diesmal wird es klappen.« –
***
Es wurde von Tag zu Tag kälter. Sie verließen den Golfstrom und kamen in die Gewässer des kalten Labradorstromes, der im Frühling die Eisberge nach Süden treibt. Die ›Duchess of York‹ raste mit unverminderter Geschwindigkeit in die Nebelwolken hinein, die sich südlich Grönland ausbreiteten, ihr Nebelhorn tutete gelegentlich. Der Verkehr mit dem Schlachtschiff ›Ramillies‹ wurde ständig mit Blaulampen aufrechterhalten. Schweres Wetter kam auf, Böen in Windstärke neun bis zehn fegten über Deck, die See kochte, und von den Stagen hingen große Eisklumpen. Dies war das Jagdgebiet der deutschen U-Boote, die jetzt auch an der kanadischen Küste zu arbeiten begannen. Die Nervosität der Besatzung wegen der U-Bootgefahr war deutlich spürbar. Sie ließ erst nach, als an einem neblig-kalten Morgen endlich Kanada in Sicht kam.
Die ›Duchess of York‹ dampfte im Kielwasser der ›Ramillies‹ durch eine ruhige See längs der Küste Neu-Schottlands. Gegen Mittag erreichte sie die U-Bootsperre vor dem Hafen von Halifax. Zwei Schlepper öffneten das Stahlnetz vor der ›Ramillies‹ und schlossen es wieder hinter der ›Duchess‹. Die U-Bootgefahr war jetzt endgültig vorbei. Voraus erhob sich ein gewaltiger, hässlicher Kasten aus Holz, den jeder Einwanderer in Kanada kennt: die ›Immigrations-Hall‹, von der die Eisenbahnzüge durch das riesige Land fahren.
Zum letztenmal standen Werra und der ›Chief‹ nebeneinander.
»Machen Sie's gut, Werra«, sagte der Lange. »Wenn wir uns in Deutschland wieder sehen, werden wir einen Gewaltigen heben!«
»Was heißt hier wenn?« erwiderte von Werra. »Wir werden uns sehen, und wir werden einen heben. Wo findet man Sie in Berlin?«
»In der Pompeji-Bar. Bei der Joachimsthaler Straße.« Der Chief schüttelte seine Beine. »Na, dann … muß unter Deck und ein paar Vorbereitungen treffen. Wenn Sie mich achtern sehen, schreien Sie nicht gleich los! Und – wer zuletzt drüben ankommt, zahlt die Zeche …« Er verschwand unter Deck.
Bald darauf machte die ›Duchess of York‹ an der Pier vor der Immigrations-Hall fest. Polizisten, Longshore-Männer und Beamte mit Aktentaschen strömten an Bord des Transporters. Die RAF-Soldaten verließen das Schiff, die Gefangenen wurden aufgestellt.
Es dauerte zwei Stunden, bis der erste Gefangenentrupp über die Brücke gelassen wurde. Es war der zweite Transport von ›Prisoners of War‹, der aus Europa kam; eine Menge Zivilisten aus Halifax hatten sich zum Empfang eingefunden.
Mit leichtem Argwohn betrachteten die deutschen Gefangenen die Anstalten der Kanadier. Zwei Reihen Polizisten standen Schulter an Schulter in der großen Halle. Jeder hatte eine Maschinenpistole. Die Polizisten bildeten eine Art Trichter. Die enge Gasse führte zu den Eisenbahnwagen.
Das kanadische Publikum war sichtlich enttäuscht. Es hatte eine Meute zähnefletschender Gorillas aus Deutschland erwartet. Die schlanken Flieger und Marineleute, die von der britischen Lagerkost nicht fetter geworden waren, sahen gar nicht aus wie Hitlers Blitzkrieger, von denen die Blätter berichteten. Spöttische Zurufe wurden laut; doch sie galten weniger den Gefangenen als der Polizei, die einen so gewaltigen Aufwand von bewaffneten Männern betrieben hatte.
»Und da will der Chief durchkommen?« sagte Werra. »Er kann ebensogut versuchen, die Internationale auf dem Reichsparteitag zu singen. Die zerreißen ihn doch einfach …«
In diesem Augenblick geschah etwas
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