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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Lichtkegel traf Werra voll ins Gesicht. Seine Augen zwinkerten. Über den Brauen stand dünner Schweiß, die Situation wurde ihm langsam unheimlich.
    Der Squadron Leader hielt ihm schweigend einen Aschenbecher hin. Werra sah auf seine Hand. Die Asche der Zigarette stand lang über dem Mundstück und die Glut drohte bereits, seine Finger zu verbrennen. Er zerdrückte den Rest der Zigarette am Rand des Aschers. »Danke«, flüsterte er heiser.
    Der Engländer stellte den Aschenbecher wieder fort. Dann setzte er sich halb auf die Kante des Tisches. Er faltete seine Arme über die Brust und sah auf den dicht vor ihm sitzenden Gefangenen herunter. »Sagten Sie nicht eben etwas von Ihrer Einheit?« fragte er nebenbei.
    Werra hieb aufgeregt auf die Sessellehne. »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich keine Auskunft ge…«
    »… und ich möchte eigentlich gern wissen«, fuhr der Brite fort, »wer von Ihren Staffelkameraden – Führerstaffel der II. Gruppe vom 3. Jagdgeschwader, nicht wahr? – also wer von Ihren Freunden sich um Ihr Löwenbaby Simba kümmern wird? Jetzt, da Sie weg sind, wird Ihr Freund Sanni das ja wohl tun müssen – oder?«
    Werra saß wie vor den Kopf geschlagen. In seinem Hirn rasten die Gedanken. Hatte er sich nicht dauernd geweigert, den Briten außer Dienstgrad und Namen irgendwelche Informationen zu geben? Hatte er es ihnen nicht klar genug gemacht, daß nichts in der Welt ihn veranlassen würde, militärische Geheimnisse zu verraten? Nicht einmal seine Einheit hatte er angegeben.
    Und dieser britische Offizier wußte nicht nur genau über alle Einzelheiten seines Haufens Bescheid, sondern kannte sogar den Namen seines kleinen Löwen und den Spitznamen seines besten Freundes, Leutnant Sannemann.
    Es war ebenso unheimlich wie unglaublich.
    »Der große Krieg brachte den Lufthelden Manfred Freiherr von Richthofen hervor«, sagte der Engländer. »Es scheint, daß dieser Krieg die edle Tradition fortsetzt und uns Franz von Werra geschenkt hat.« Der Sarkasmus in seiner Stimme war unverkennbar.
    »Franz von Werra, der Held der Luftwaffe«, wiederholte der Squadron Leader mit Behagen. »Übrigens – ich muß Ihnen ehrlich Glück wünschen zu Ihrem Geschick, die Presse für sich einzuspannen – besonders bemerkenswert bei der scharfen Konkurrenz unter den Jagdfliegern der Luftwaffe! Vom unbekannten -Leutnant zum Lufthelden auf den Umschlagseiten der illustrierten in ein paar Wochen! Das nenne ich Draufgängertum! Und wie wird es gemacht? Oh – es ist fast kindlich einfach, nicht wahr? Andere Jagdflieger kommen in die Zeitung, wenn sie nur einen Hund, ein Glücksschwein oder einen Jagdfalken haben. Sie schaffen sich gleich einen kleinen Löwen an und schlagen sie alle im Kampf um die Titelseiten! ›Einer unserer tapferen jungen Jagdflieger mit Simba, seinem geliebten kleinen Löwen. Franz von Werra, der rote Teufel – der Schrecken der britischen Luftwaffe!‹ … Ja, Herr Oberleutnant, Sie verstehen es, die Reklametrommel zu rühren!«
    Während der Engländer sprach, fielen die ersten Bomben auf London. Die Explosionen waren weit entfernt, aber sie ließen die Fensterscheiben in den Rahmen klirren.
    Von Werra hatte längst begriffen, daß er sich jetzt nicht reizen lassen durfte. Aber er war gewöhnt, Angriff mit Angriff zu vergelten:
    »Solange es noch so viele deutsche Flieger gibt, die über Großbritannien herumkurven, wie es ihnen beliebt«, sagte er und machte eine Handbewegung zum Fenster, wo das unverkennbare Dröhnen eines einzelnen deutschen Bombers deutlich zu hören war, »solange scheint mir die intensive Beschäftigung der RAF mit dem kleinen Löwen eines gefangenen Piloten eigentlich merkwürdig. Rührend zwar, aber doch sehr merkwürdig. Aber was bedeutet eine so unwichtige Angelegenheit wie ein Krieg für eine Nation von Tierfreunden! … Übrigens – was die Illustrierten angeht – so nehme ich an, daß die Unterschriften meinen Namen und meine Einheit angegeben haben. Ich wüsste also nicht, was ich Ihnen noch sagen sollte …«
    Squadron Leader King beugte sich über den Tisch und nahm einen der Aktendeckel auf. Er zog eine Nummer der deutschen Rundfunkzeitung ›Hört mit mir‹ heraus. Es war die Nummer vom 24. August 1940. Auf dem Titelbild lehnte sich ein Luftwaffenleutnant an den Flügel einer Me 109 und hielt dabei ein knurrendes Löwenbaby im Arm.
    Der Squadron Leader las die Unterschrift vor: »Dies ist der Staffel-Löwe ›Simba‹, der den Platz des

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