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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Briefkorb und drückte auf eine Klingel.
    Fast augenblicklich öffnete sich eine Seitentür, und ein Adjutant trat mit mehreren Aktendeckeln ein, die er seinem Vorgesetzten auf den Tisch legte. Als er den Raum wieder verließ, drehte er die Deckenbeleuchtung ab. Jetzt erhellte nur noch der Lichtkegel der Tischlampe das Zimmer.
    Squadron Leader King griff nach der silbernen Zigarettendose, öffnete sie und reichte sie Werra hin.
    »Danke!« sagte der Gefangene erfreut und zog den Rauch der ersten Zigarette tief in die Lungen. Das lang entbehrte Nikotin ließ ihn fast schwindlig werden.
    Der Squadron Leader lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück. Das Licht reichte jetzt nicht mehr bis zu ihm hin, und Werra konnte ihn nur noch undeutlich erkennen.
    »Dreizehn Abschüsse – und ein halbes Dutzend Maschinen am Boden zerstört«, sagte der Engländer gedehnt. »Das ist ein sehr anerkennenswerter Erfolg, Herr Oberleutnant!« In seiner Stimme klang ein höhnischer Unterton durch. »Als ein ganz kleiner Flieger des ersten Weltkrieges«, fuhr er dann ebenso spöttisch fort, »ist es mir natürlich eine ganz besondere Ehre, mit einem der großen Lufthelden des zweiten Weltkrieges zusammenzutreffen!«
    Werra fühlte Ärger in sich aufsteigen. Was sollten diese hämischen Freundlichkeiten. Wollte der Mann ihn reizen? Da war er bei ihm gerade an der richtigen Adresse. Mit diesem britischen Snobismus konnte man ihm nicht imponieren. Auf diese Tonart verstand er sich schließlich auch.
    »Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, Herr Major«, begann er und versuchte dabei, den spöttisch-gleichgültigen Tonfall des Engländers nachzuahmen, »es war sehr liebenswürdig, mir eine lang entbehrte Zigarette anzubieten. Es beeindruckt mich auch sehr, ein ›As‹ des Royal Flying Corps aus dem ersten Weltkrieg kennen zu lernen – um so mehr, als ich beim Studium der faszinierenden Geschichte dieser Einheit weder auf Ihren Namen noch auf eine Beschreibung Ihrer damaligen Heldentaten stieß – aber meine Dankbarkeit für die Zigarette geht doch nicht so weit, mich zu veranlassen, Ihnen militärische Informationen preiszugeben. Denn das ist für Sie doch wohl der Sinn dieser Vernehmung. Aber geben Sie sich keine Mühe, von mir erfahren Sie nichts! Nicht einmal Namen und Nummer meiner Einheit. Nicht einmal meine Feldpostnummer. Nichts!«
    Eine weitere Bosheit fiel ihm ein. »Aber wie dumm von mir, Herr Major«, fuhr er fort. »Zweifellos sind Sie doch der Gegner, der mich gerade abgeschossen hat?« Der höhnische Ton in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    Der Squadron Leader sagte gar nichts.
    Das Schweigen dauerte so lange, daß von Werra schon glaubte, der Major wollte das Gespräch beenden. Plötzlich hörte man das entfernte Aufheulen einer Luftschutzsirene. Eine andere nahm das Signal auf, noch eine setzte ein und schließlich eine ganz in der Nähe. In Sekundenschnelle gellte das widerliche Heulen über ganz London. Werra lehnte sich in seinem Sessel zurück – so wie man sich im Theater zurücklehnt, wenn das Drama beginnt. Er grinste befriedigt.
    In den Briten kam mit einem Male Bewegung. Er griff nach den Lehnen seines Sessels und erhob sich. Dann beugte er sich über den Tisch und drückte auf den weißen Schaltknopf im Fuß seiner Leselampe. Gleichzeitig tastete seine andere Hand nach dem Silbergriff des Spazierstocks.
    Es wurde nachtdunkel im Zimmer.
    Werra wartete gespannt, mit angehaltenem Atem.
    Der Engländer ging durch das Zimmer – trotz des Sirenengeheuls hörte Werra deutlich, daß er schwerfällig hinkte und daß einer seiner Stiefel trocken knarrte. Mein Gott – dieses Knarren und der Stock … der Mann trug ja eine Prothese!
    »Verzeihen Sie, Herr Major!« bat er in das Dunkel. »Es tut mir schrecklich leid. Ich hatte ja keine Ahnung …«
    Keine Antwort. Nur Dunkelheit und das Geheul der Sirenen …
    Dann kam ein plötzliches, metallisch kratzendes Geräusch von der anderen Seite des Zimmers. Der Verdunkelungsvorhang war zurückgezogen worden. Von Werra sah ein viereckiges Stück nachtfahlen Himmels, das schwache Schimmern eines Sterns und den Schattenriss von Kopf und Schultern des Vernehmungsoffiziers.
    Eine Sirene nach der anderen erstarb, die Verdunkelung wurde wieder vorgezogen, und der knarrende Stiefel näherte sich wieder dem Schreibtisch. Dicht neben dem Gefangenen blieb er stehen.
    Klick!
    Das grelle Licht war wieder da, aber jetzt war der Reflektor der Lampe nach oben gedreht, und der

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