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Einer kam durch

Titel: Einer kam durch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Werra Franz
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Limey-Englisch ausgesungen wurden. Es dämmerte schon, die Blaulampen in den verdunkelten Abteilen leuchteten auf, Schaffner rannten draußen mit abgeblendeten Laternen herum. Endlich begann der Corporal aus dem Fenster zu spähen. Der Hauptmann, der in einer anderen Ecke des Abteils geschlafen hatte, streckte sich, fuhr mit einem Kamm durch seine Haare und setzte die Dienstmütze auf. Sie waren in Derby, in Mittelengland.
    Allzu gut konnte die Organisation bei den Briten auch nicht sein, denn es ergab sich, daß der letzte Zug von Derby nach Swanwick bereits abgefahren war. »Swanwick« – Werra spitzte die Ohren. Das war also sein Bestimmungsort. Vermutlich ein Straflager für Ausbrecher. Gehorsam trottete er hinter seinem Bewacher her in das Büro des Transportoffiziers.
    »Muß das Lager Swanwick anrufen«, erklärte der Hauptmann einem Leutnant. »Muß morgen früh schon wieder in Windermere sein. Brandeilig. Sie sollen einen Wagen schicken, der den Kerl abholt!« Er drehte energisch die Kurbel des Telefons, und redete eine Weile. Wie es schien, mit Erfolg; denn er legte den Hörer auf, nahm seine Mütze und blieb vor den beiden stehen.
    »Wagen kommt in dreiviertel Stunden, Corporal. Dann bin ich zurück. Ich sorge dafür, daß Sie mit dem Kerl auf den richtigen Weg kommen.«
    »Allright, Sir!« Der Hauptmann verschwand. Werra blinzelte dem Unteroffizier zu. »Der geht in das Bahnhofsrestaurant essen. Wetten, daß er das tut?«
    Der Corporal war diesmal nicht so verstockt. Er zuckte die Achseln. »Kann nicht jeder Hauptmann sein«, sagte er.
    Inzwischen hatte sich der Leutnant vom Transportkommando hinter seinen Schreibtisch zurückgezogen. Er kannte diesen Betrieb bis zum Überdruss: wichtigtuende Reservehauptleute, die immer sofort wieder woanders sein mußten, Autos bestellten und dann wieder weggingen, um zu essen. Es hing ihm zum Hals heraus. Aber der Gefangene war interessant. Der Leutnant warf von Zeit zu Zeit einen Blick auf ihn.
    Werra hatte bereits die große Karte der Landschaft Derby entdeckt, die in dem Büro hing. Leider spiegelte sich das Licht der Schreibtischlampe so auf der glatten Oberfläche, daß er nichts erkennen konnte. »Kann ich mich dort drüben ein bißchen anlehnen?« fragte er den Corporal. Er hatte den Mann durch seine Bemerkung über das Essen gnädiger gestimmt. »Ja«, brummte der Engländer und rutsche auf der Bank hinter ihm her. Werra begann die Karte zu studieren. Er konnte groß den Namen Derby lesen, daneben Stoke und Stafford, östlich von Derby, Nottingham im Westen. Er prägte sich die Namen ein. Wenn der Corporal ihn anblickte, schloß er die Augen und tat, als döse er vor sich hin. Der Transportoffizier beobachtete das Spiel.
    Ein Mann trat ein, salutierte und bat um Auskunft. Der Leutnant erhob sich und zeigte ihm den Weg auf der Karte. Werra war hellwach. Er konnte nicht allzu viel von dem Gespräch verstehen, aber er versuchte aufzuschnappen, was möglich war. Plötzlich blickte sich der Leutnant um, sah die weitaufgerissenen Augen des deutschen Gefangenen, wandte sich wieder dem Mann zu und brachte seine Erklärung zu Ende. Der Soldat ging hinaus; der Leutnant dachte einen Augenblick nach und trat zur Wand. Dort hingen Plakate, die vor feindlichen Agenten und der ›Fünften Kolonne‹ warnten, sozusagen die englische Ausgabe von ›Pst – Feind hört mit!‹ Eines der Plakate zeigte Hitler und Göring, die auf einem Autobus saßen und die Gespräche der Fahrgäste belauschten. Der Leutnant löste ein Schild von der Wand, kehrte zu der Landkarte von Derby zurück und hängte es über die Karte. Auf dem Schild stand: »Halt deine Karten verdeckt!«
    Der Corporal richtete sich auf und blickte den Leutnant fragend an. Der Leutnant lächelte leicht, Werra grinste breit. Der Corporal überlegte, ob er etwas sagen sollte. Doch er sagte nichts und begann ebenfalls zu lachen.
    Sie saßen in friedlichster Stimmung in dem Büro, als der Hauptmann hereinkam und sie zu dem Lastwagen brachte. Er wartete, bis die ungleichen Zwillinge unter die Plane gekrochen waren.
    »Gut aufpassen, Corporal!« sagte er kurz und schneidig.
    »All right, Sir!« Der Lastwagen rollte durch die Stadt Derby hindurch und ins Land hinein. Drei Viertelstunden später hielt er vor einem Tor mit Posten. Die Gefangenen stiegen ab. Sie hatten das Offiziersdurchgangslager Nr. 13, »Swanwick«, erreicht.
    Der Empfang war trübselig. Ein Lagerkommandant, Engländer, wie aus dem Ei gepellt, mit den

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