Einer kam durch
Wagner. »Ganz regulär. Aber natürlich nicht so fein wie Grizedale Hall.«
»Reichlich primitiv«, sagte Werra und trat mit Wagner in sein Zimmer.
»Ach, das läßt sich ändern. Schauen Sie sich morgen die Räume der Kameraden an, die schon länger hier sind. Sie werden sich wundern. Schmuck und kosig, sage ich Ihnen. Das kostete natürlich ein bißchen Arbeit …«
»Meinen Sie im Ernst, ich verwende Arbeit darauf, mein Zimmer zu schmücken?« sagte Werra empört. »Ich denke nicht daran. Ich habe was Besseres zu tun.«
Wagner kniff ein Auge zu, sagte aber nichts.
»Haben Sie etwa auch schon darüber nachgedacht, wie man hier raus kann?« fragte Werra.
Wagner wiegte den Kopf. »Morgen reden wir darüber«, sagte er. »Horchen Sie erst mal acht Stunden an der Matratze. Ich denke, Sie sind müde. Mann, ich bin froh, daß Sie da sind. Sie haben uns gefehlt wie 'ne Pulle Sekt. Wir brauchen ein bißchen mehr Leben in der Bude. Na, Schluß mit dem Geschwätz. Gute Nacht, Werra!«
»Gute Nacht, Wagner!«
Werra wußte, daß er einen Freund hatte.
Swanwick Tiefbau AG
»Und wie nennen wir unser Unternehmen?«
Sie saßen in Werras Zimmer, vierzehn Tage nach seiner Ankunft, rauchten ›Gold Flake‹-Zigaretten und sprachen in dem halblauten Ton von Verschwörern.
»Unternehmen Maulwurf!« sagte Wagner. Aber Hauptmann Cramer schüttelte den Kopf.
»›Swanwick Tiefbau AG‹ – das klingt seriös, und ich wollte immer einmal in meinem Leben Direktor einer AG sein.«
»Swanwick Tiefbau AG klingt gut. Wer ist dafür?« Alle waren dafür. Hauptmann Cramer, ehemaliger Olympiakämpfer und Ritterkreuzträger, der Jagdflieger Manhart, ein Mann von unbändiger Kraft und Aktivität, der Oberleutnant Wilhelm und der Österreicher Wagner. Sie hatten sich in zwei Wochen zusammengefunden. Mittelpunkt der Gruppe war – selbstverständlich – Franz von Werra.
»Er war der natürliche Mittelpunkt jeder Gesellschaft. Er liebte es, Menschen um sich zu haben. Vielleicht liebte er es auch, ein wenig bewundert zu werden. Aber niemand nahm es ihm übel. Denn er war kein Schauspieler – im Gegenteil! Er machte alles vor, er ging immer voran. Ein kleiner, drahtiger Kerl, mit der Eigenart kleiner Leute, sich sehr gerade zu halten; gewandt, federnd und eigentlich immer guter Laune. Dazu von außerordentlicher Intelligenz!« So schilderte Jahre später ein ehemaliger U-Bootoffizier Franz von Werra, den er im Lager Swanwick kennen gelernt hatte.
Das Gespräch fand am Donnerstag, dem 14. November 1940, statt. Die sechs Männer hatten sich dazu entschlossen, einen Tunnel unter dem Stacheldrahtzaun des Lagers zu graben und durch ihn zu entfliehen.
»Wann fangen wir an?«
»Wenn der Schreiner mit dem Deckel fertig ist. Ich denke Sonntag.«
»Sagen wir Fanelsa vorher Bescheid?«
Alle blickten auf Hauptmann Cramer. Er war der Dienstälteste.
»Besser anfangen und dann ein paar Tage später sagen«, meinte Cramer.
Seit Tagen sprachen sie von nichts als von der Flucht. Es klang so einfach – einen Tunnel graben! Doch es mußte vieles bedacht werden. Sie mußten nicht nur graben. Sie mußten sich auch sichern. Sie mußten ein Warnsystem haben, das ihnen jederzeit ermöglichte, ihre Tunnelarbeit abzubrechen, wenn die Briten Verdacht schöpften. Sie mußten Ablenkungsmanöver ausdenken, um die Briten, wenn sie unvermutet auftauchten, abzulenken. Sie mußten Karten von der Umgebung besorgen, sie brauchten englische ›Identifications‹ – eine Art von Kennkarten. Sie mußten wissen, wohin mit der ausgeschachteten Erde, sie brauchten englisches Geld. Und schließlich mußten sie wissen, wer von ihnen den verdammten Tunnel buddelte.
»Werra und Malischewski graben!« sagte Wagner. »Wenn sie nicht mehr können, springen andere ein.«
»Ich kann«, sagte von Werra.
»Ich schleppe die Erde raus!« bot Cramer an.
Der Organisator Wagner sagte: »Wenn eine der ausgestellten Wachen ›Oberleutnant Deik‹ ruft, dann heißt das: ›Arbeit einstellen, aber keine unmittelbare Gefahr!‹ Wenn er ›Leutnant Manhart‹ ruft, heißt es: ›Gefahr im Verzug, Schluß machen, Eingang tarnen!‹ Wenn er ›Leutnant Wagner‹ ruft, ist unmittelbare Gefahr, und die Ablenkungsmänner stürzen auf Einsatzstation. Wir haben ein paar U-Boot-Leute bei der Hand, die bereit sind, sich mit uns wie die Teufel zu raufen.« Werra notierte alles mit seiner eckigen Jungenhandschrift auf einem Block.
»Wie steht es mit dem Gesangverein?« fragte er.
»Ich
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