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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Fluss stand.
    »Ja, bitte«, antwortete Monk dem Constable.
    »Sehr wohl, Sir.« Gehorsam beugte sich Coburn weit vor, ohne darauf zu achten, dass das Wasser die Ärmel seiner Uniform durchnässte, und wälzte die Leiche herum, bis sie auf dem Rücken trieb.
    Monk nickte ihm zu. »Danke.«
    Jetzt konnte Monk das Gesicht des Toten studieren. Er schien Anfang dreißig zu sein. Lange konnte er nicht im Fluss gelegen haben, denn seine Züge waren kaum verunstaltet. Lediglich an den Stellen, wo das Fleisch weicher war, war es leicht aufgequollen. Schäden durch Fische oder andere Aasfresser ließen sich noch nicht feststellen. Die Nase war markant und etwas knochig, die Augenbrauen waren hell, der Mund war breit und schmallippig. Die Haare des Mannes wirkten blass, um nicht zu sagen fast farblos. Aber das würde sich leichter beurteilen lassen, wenn die Leiche trocken war.
    Monk zog eines der Augenlider nach oben. Die Iris war blau, das Weiß mit Rot gesprenkelt. Er drückte das Lid wieder nach unten. »Haben Sie eine Ahnung, wer das sein könnte?«, fragte er.
    »Ja, Sir.« Coburns Gesicht verdunkelte sich vor Abscheu. »Das is’ Mickey Parfitt, Sir, ein widerwärtiges, kleines Drecksstück hier in der Gegend. Einbrüche, Zuhälterei, eigentlich alles, womit sich aus dem Elend anderer Leute Gewinn schlagen lässt.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Vollkommen, Sir. Seh’n Sie seinen rechten Arm?«
    Monk fiel nichts auf, weil der rechte Arm des Mannes bis zu den Fingerwurzeln vom Ärmel der Jacke bedeckt war. Dann warf er einen Blick auf den linken Arm und erkannte, dass der rechte deutlich kürzer war. Er griff danach und spürte sofort, wie verkümmert der Muskel war. Der linke Arm war zwar dünn, aber hart. Zu Lebenszeiten musste er kräftig gewesen sein und den Mangel des anderen Armes wettgemacht haben.
    »Wer hat ihn entdeckt?«, wollte Monk wissen.
    »’Orrie Jones, aber der is’ nich’ ganz hell da oben«, antwortete Coburn und tippte sich an die Schläfe. »Der Mann, der uns geholt hat, war Tosh. Hat ab und an für Parfitt gearbeitet. Sofern er überhaupt je gearbeitet hat. Auch so’n widerwärtiges Kaliber, dieser Tosh.«
    »Kein Tosher?«, fragte Monk neugierig. Beim Klang dieses Namens waren ihm auf Anhieb die Männer eingefallen, die, jeder an seinem Abschnitt, in den Abwasserkanälen nach verlorengegangenen oder fortgespülten Wertsachen fischten und immer wieder alles Mögliche, insbesondere Schmuckgegenstände fanden. Hatte man den richtigen Streckenabschnitt erwischt, war ein reicher Fang zu erwarten.
    »Das war er mal – angeblich«, antwortete Coburn. »Wurde der Sache müde. Oder vielleicht hat er sein Revier verloren.«
    »Was hatte ’Orrie Jones so früh am Morgen am Flussufer zu tun?«
    »Gute Frage«, presste Coburn zwischen angewidert verzogenen Lippen hervor. »Er behauptet, er hätte frische Luft schnappen wollen, bevor sein Tagwerk beginnt.«
    »Glauben Sie, dass er Parfitt umgebracht hat?«, fragte Monk zweifelnd.
    »Nein. Er is’ dämlich, aber harmlos. Aber ich könnte mir vorstellen, dass er ihn gesucht hat.«
    »Haben Sie eine Ahnung, warum? Und aus welchem Grund könnte er damit gerechnet haben, Parfitt um fünf oder sechs in der Früh am Fluss unten zu finden?«
    Coburn biss sich auf die Lippe. »Gute Frage, Sir. ’Orrie hat alle möglichen Gelegenheitsarbeiten für Mickey verrichtet, ihn durch die Gegend gerudert, für ihn Botengänge erledigt, dies und jenes geholt oder abgegeben. Er muss eine ziemlich genaue Ahnung gehabt haben, dass Mickey hier sein würde.«
    »Und eine ziemlich genaue Ahnung, dass er tot sein würde?«
    »Vielleicht.«
    »Und wer ihn umgebracht hat?«
    Coburn schüttelte den Kopf. »Das vielleicht auch, aber das würde er uns nich’ verraten.«
    »Dann sollten wir besser Mickeys Freunde – und seine Feinde – aufspüren«, meinte Monk. »Ich nehme an, es besteht keine Hoffnung, dass das ein Unfall gewesen sein könnte?«
    »Hoffen Sie, was Sie wollen, Sir, aber wir haben nich’ oft so viel Glück, dass Ungeziefer wie Mickey ’nen Unfall hat.«
    Monk blickte Orme an.
    Sein Sergeant runzelte die Stirn. Er war ein stiller, zuverlässiger Mann, der den Fluss kannte wie seine Westentasche und dazu diejenigen, die bei all seinen Geschäften und Vergnügungen auf Beute lauerten. »Mir ist nicht ganz klar, ob ihn der Schlag getötet hat oder ob er ertrunken ist«, murmelte Orme nachdenklich. »Und was hatte er überhaupt hier unten zu suchen? War er allein? Wie

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