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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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nichts anderes übrig. Fahren Sie fort.«
    ’Orrie erklomm umständlich die Wendeltreppe. Oben angekommen klammerte er sich an das Geländer, als stünde er an Bord eines im Wellengang schwankenden Hochseeschiffs. Ein Auge wirbelte gefährlich im Kreis, das andere musterte bange die Geschworenen, die seinen Blick entweder erwiderten oder peinlich berührt wegschauten.
    Nach seiner Vereidigung bat ihn Winchester mit beträchtlicher Höflichkeit, sich zu seiner beruflichen Situation zu äußern und sein Verhältnis zu Mickey Parfitt zu beschreiben. Als das erledigt war, wollte der Anwalt Näheres darüber wissen, wie er zusammen mit Tosh Wilkin Mickeys Leiche gefunden, wer die Polizei geholt hatte und was Orme und Monk nach ihrer Ankunft unternommen hatten.
    Das alles war vorhersehbar und enthielt nichts, was Rathbone zu einem Einspruch oder einer Ergänzung veranlassen konnte.
    So erhielt Winchester von ’Orrie eine Schilderung des gesamten Abends von Parfitts Tod mitsamt einigermaßen akkuraten Zeitangaben. ’Orrie kannte sich bestens mit den Gezeiten aus, die er ausgiebig erklärte, und war nicht nur ein hervorragender Ruderer, sondern verstand sich zudem darauf, wie die Flussboote im Allgemeinen zu führen waren.
    Die Aufmerksamkeit der Geschworenen hätte vermutlich bald nachgelassen, wäre nicht ’Orries außergewöhnliches Erscheinungsbild gewesen und hätte nicht Winchester mit gelegentlich eingestreuten, trockenen Kommentaren Heiterkeitserfolge erzielt.
    Schließlich beendete er die Vernehmung. »Danke, Mr Jones. Sie haben uns eine hervorragende Darstellung gegeben.« Damit bot er Rathbone an, den Zeugen seinerseits zu verhören.
    Rathbone blickte zu ’Orrie auf. »Sie waren also eng in Mr Parfitts Angelegenheiten einbezogen. Er verließ sich auf Sie. Sie ruderten ihn immer, wenn er über den Fluss wollte. War das wegen seines verkümmerten Arms nötig?«
    »Ja, Sir«, antwortete ’Orrie in einem Ton, der Verachtung für eine derart dumme Frage erkennen ließ.
    »Waren das immer Sie, oder ruderten ihn auch noch andere Leute?«
    Empört umklammerte ’Orrie das Geländer, bis seine Knöchel schier glühten. »Das war immer ich! Wozu hätte er ’nen andern nehmen sollen?«
    »Dazu war sicher überhaupt kein Anlass«, bestätigte Rathbone. Was ’Orrie dachte, war ihm völlig egal, aber er spürte, dass er allmählich die Geschworenen gegen sich aufbrachte. Winchester hatte es sorgfältig vermieden, die Natur von Parfitts Beschäftigung zu erwähnen, und so getan, als könnte sich ’Orrie ihrer gar nicht bewusst gewesen sein. Wenn Rathbone dieses Thema jetzt ansprach, würden ihm die Geschworenen das verübeln.
    »Mr Jones, sind Sie in Ihrer Zeit als Mr Parfitts Assistent jemals Mr Arthur Ballinger begegnet?«
    »Bestimmt nich’!«, erwiderte ’Orrie heftig.
    »Oder haben Sie ihn diesen Namen erwähnen hören? Vielleicht traf sich Mr Parfitt ja öfter mit ihm?«
    »Hab ich bestimmt nich’!«
    »Haben Sie jemals einen Ihrer Kollegen von ihm sprechen hören?«
    »Nein! Wie oft muss ich Ihnen das noch sagen?«, schnaubte ’Orrie empört. »Ich hab im ganzen Leben nie was mit ihm zu tun gehabt!«
    »Das glaube ich Ihnen gern, Mr Jones!«, besänftigte ihn Rathbone. »Ich bin mir sicher, dass Ihre und Mr Ballingers Wege sich nie gekreuzt haben und dass es sich bei Mr Parfitt nicht anders verhielt. Vielen Dank.«
    Als Nächsten rief Winchester den Polizeiarzt in den Zeugenstand, der sich zu all den grässlichen Details äußerte: die Leiche selbst, die Verletzungen, die genaue Todesursache, die wahrscheinlichste Methode, den Tod herbeizuführen, bis hin zur Entfernung des im geschwollenen Fleisch eingebetteten Halstuchs.
    »Schlag auf den Kopf mit einem stumpfen Gegenstand wie einem Holzscheit oder Aststück?«, leitete Winchester die Befragung zum Tathergang ein.
    »Ja.«
    »Und als er bewusstlos dalag, schlang ihm sein Mörder Mr Cardews Seidentuch um den Hals …«
    »Nachdem er die Knoten geknüpft hatte«, korrigierte der Arzt.
    Winchester schaute drein, als wäre er bei einem Fehler ertappt worden, auch wenn Rathbone längst klar war, dass das bei ihm wohlkalkuliert war. »Natürlich. Verzeihung. Nachdem er die Knoten geknüpft hatte, entweder am Tatort oder schon davor, schlang der Mörder Mr Parfitt das Tuch um den Hals und zog es zu, bis er erstickte.«
    »Ja.«
    »Warum die Knoten, Sir?«
    »Um den Druck auf die Luftröhre zu verstärken, nehme ich an. Das wäre um einiges effektiver.«
    »Aber

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