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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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alles auf eine Karte. »Ihrer ominösen Zeugin, Miss Benson, widerstrebt es allem Anschein nach, zum Diebstahl des Halstuchs auszusagen, das Mr Cardew an jenem Nachmittag trug. Sie haben schlüssig nachgewiesen, dass es als das Werkzeug diente, mit dem Mr Parfitt erdrosselt wurde. Ohne die Aussage dieser Zeugin beschleicht mich aber der Eindruck, den auch die Geschworenen haben müssen, dass erhebliche Zweifel an Mr Ballingers Beteiligung an dieser unseligen Angelegenheit bestehen, von seiner Schuld an Parfitts Tod ganz zu schweigen. Ist diese Affäre nicht vielmehr genau das, was sie auf den ersten Blick zu sein scheint? Der Mann wurde von irgendeinem Opfer seiner abstoßenden Machenschaften ermordet.«
    Zum ersten Mal war Winchesters Verwirrung echt. »Mylord …«, begann er, »das … das ist eine ungerechtfertigte Schlussfolgerung betreffs Miss Bensons Widerstreben …«
    »Ob es sich um Zweifel, Gewissensbisse oder Angst vor einer Strafe wegen Meineids handelt, tut doch sicher nichts zur Sache«, konterte Rathbone, der sich plötzlich absolut sicher war, dass Winchester etwas Wichtiges verschwieg. »Sie ist nicht hier, um uns über den Diebstahl des Halstuchs zu berichten oder darzustellen, dass es Rupert Cardew jemals abhandenkam!«
    Jetzt war Winchester kreidebleich, und seine Anspannung war mit Händen zu greifen. »Hattie Benson ist nicht zur Aussage erschienen, weil ihre Leiche drei Tage vor Mr Ballingers Verhaftung bei Chiswick aus der Themse geborgen wurde«, erklärte er heiser. »Sie ist auf genau dieselbe Weise wie Mickey Parfitt stranguliert worden.«
    Auf der Galerie kreischte eine Frau auf. Jemand anders erstickte einen Schrei, ein Mann schnappte nach Luft.
    Einer der Geschworenen beugte sich vor, als wollte er aufstehen.
    Der Richter schlug mit dem Hammer auf sein Pult, forderte Ruhe – und wurde ignoriert.
    Rathbone wurde es plötzlich eisig kalt. Sein Geist war wie betäubt, an den Rändern seines Blickfelds wurde alles schwarz. Wie, in Gottes Namen, hatte das geschehen können? Kein Wunder, dass Monk aussah wie ein Gespenst. Er musste es gewusst haben.
    Plötzlich erfasste ihn tiefes Mitleid – und eine alles umfassende, schreckliche Angst.

11
    »Es tut mir leid«, murmelte Monk, als sie im Wohnzimmer saßen. »Ich wollte es dir erst sagen, wenn ich eine bessere Erklärung habe. Ich hatte gehofft, genügend Einzelheiten in Erfahrung zu bringen, die bestätigt hätten, dass du nicht das Geringste hättest tun können.«
    Hester saß wie erstarrt da. Tränen brannten ihr in den Augen, und das machte sie wütend auf sich selbst, denn es war nicht nur Trauer um Hattie, die sie bewegte, sondern auch Schuldgefühle angesichts ihres Versagens. War sie schon so abgestumpft, dass sie sich an den Tod von Straßenmädchen gewöhnt hatte, auch an den junger Frauen, lange bevor sie verblüht und von Krankheiten zerstört waren? Bei vielen, die verwundet in die Klinik kamen, zusammengeflickt und wieder entlassen wurden, wusste Hester, dass die Heilung nur vorübergehend war – das war eben der Lauf der Dinge.
    Aber Hattie hatte ihr vertraut! Monk hatte sich darauf verlassen, dass sie Hattie sicher unterbrachte.
    »Das tut mir leid«, flüsterte sie. »Ich hätte sie doch schützen müssen. Damit ist wohl auch die Klage gescheitert, und Ballinger wird davonkommen. Ohne Hatties Aussage wird es zwangsläufig vernünftige Zweifel geben. Also wird wieder ein Schatten auf Ruperts Namen fallen. Oh, verdammt! Verdammt! Verdammt!« Am liebsten hätte sie richtig geweint und so fürchterlich geflucht, wie sie es bei den Soldaten gehört hatte, Ausdrücke herausgeschrien, die Monk nie gehört hatte und von denen ihr lieber gewesen wäre, sie hätte sie nie gelernt.
    Aber jetzt war keine Zeit, sich gehenzulassen. Ihre Energie wurde für viel Dringlicheres gebraucht. So stand sie vor einer schwierigen Aufgabe, vor der ihr jetzt schon graute. Denn Scuff musste es erfahren, allein schon deshalb, weil er sie zu ihrem ersten Gespräch mit Hattie begleitet hatte. Zwar war es inzwischen nach neun Uhr abends, aber morgen früh würde die Zeit nicht reichen. Sie würde bei ihm bleiben und sorgfältig abschätzen müssen, wie viel Trost sie ihm schenken durfte. Ob er ihn überhaupt annehmen würde, wusste sie nicht. Er war am Flussufer aufgewachsen und oft mit dem Tod konfrontiert gewesen, auch mit dem Tod von Leuten, die er gekannt hatte. Hesters Reaktion würde ihn prägen, vielleicht sogar sein Leben lang. Sie durfte

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