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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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selbstständig als Ermittler gearbeitet, wenn ihn Privatpersonen auf eigene Rechnung mit der Klärung eines Falles beauftragten. Vor nicht ganz einem Jahr schließlich war ihm nach Durbans Tod dessen Stelle als Kommandant der Wasserpolizei angeboten worden.
    Zwar hatte Durban nicht ganz Monks Fähigkeiten zur unerbittlichen Verfolgung der Wahrheit besessen – die hatten nur die Wenigsten –, aber er hatte es verstanden, Männer zu führen, sich ihre Treue zu verdienen, das Beste aus ihnen herauszuholen und in ihnen so etwas wie Liebe zu erwecken. Und vor allem hatten sie ihm vertraut.
    Monk hatte Durban ebenfalls gekannt, wenn auch nur allzu kurz. Sie waren Freunde geworden. Es war Durban gewesen, der im Wissen um seinen baldigen Tod Monk als seinen Nachfolger vorgeschlagen hatte. Und seither musste Monk rechtfertigen, dass man ihm diese Ehre nicht umsonst hatte zuteilwerden lassen. Er musste sich in der Kunst üben, Leute zu führen, angefangen mit Orme, der Durbans engster Verbündeter gewesen war.
    »Und wir werden ihn schnappen, wenn wir können«, fügte er im Ton einer überflüssigen Nebenbemerkung hinzu.
    Orme lächelte ihn an, als hätte er ihn verstanden, ohne dass es der Worte bedurft hätte. Er lehnte sich in seinem Sitz zurück, und seine Schultern schienen sich zu entspannen.
    In der kleinen Polizeiwache von Chiswick wurden sie zurückhaltend begrüßt und in eine warme, winzige Stube geführt, in der es nach starkem Tee und Tabak roch. Die Wände waren vollgestellt mit Regalen, die viel zu viel von dem wertvollen Platz beanspruchten, und der Tisch war mit Dokumenten übersät.
    Die zwei Wasserpolizisten waren darauf angewiesen, möglichst viel über die örtlichen Verhältnisse zu erfahren. Daher stellte Monk dem verantwortlichen Sergeant eine Reihe von Fragen. Orme hörte zu und verfertigte in seiner sauberen Handschrift und in schnellem Tempo Notizen.
    »Der war schon ein besonders widerwärtiges Stück Dreck«, erklärte der Sergeant in Bezug auf Mickey Parfitt. »Man kann Mord ja nich’ so einfach durchgehen lassen, aber wenn das möglich wär und ich die Wahl hätte, würd ich bei dem, der ihn abgemurkst hat, beide Augen zudrücken.« Er seufzte. »Aber das dürfen wir halt nich’. Weiß Gott, wo das sonst noch enden würde. Wir werden tun, was wir können, um das arme Schwein, das das getan hat, aufzutreiben.« In seinem breiten Gesicht blitzte Humor auf. »Natürlich ham Sie hier eine Menge Kandidaten zur Auswahl, das kann ich Ihnen jetzt schon sagen.«
    »Was hat er denn ganz allein auf dem Boot da draußen getrieben?«, erkundigte sich Monk, der auf der Kante eines der wackeligen Stühle hockte. »Wissen Sie da schon etwas? Wenn Sie irgendwelche Beweise hätten, hätten Sie den Mann längst eingesperrt, aber wen verdächtigen Sie? Und sagen Sie mir nicht, dass zu viele zur Auswahl stehen.«
    Der Sergeant bedachte ihn mit einem breiten Grinsen, eine spontane Reaktion, die sein kantiges Gesicht aufleuchten ließ. »Das würde uns nich’ mal im Traum einfallen, Sir. Für Schmuggel sind wir schon zu weit oben am Fluss. Und es gibt hier in der Gegend keinen, der einen Einbruch wert is’. Andererseits hab ich mich gefragt, ob nich’ vielleicht Hehlerei betrieben wurde. Also bin ich mal rausgefahren und hab nachgeschaut, allerdings ohne was zu finden.«
    »Herrschte dort ein reges Kommen und Gehen?«, fragte Monk.
    »Ja. Darum hab ich ja gedacht, dort wird Diebesgut gelagert.«
    »Was für Leute?« Monk wartete gebannt. Zu Orme sah er nicht hinüber, spürte aber, dass auch er sich anspannte.
    »Keine Frauen«, antwortete der Sergeant mit einem Kopfschütteln. »Wenn es das ist, worauf Sie hinauswollten, ham Sie sich getäuscht. Wenn das so leicht gewesen wär, hätte ich ihn selber dingfest gemacht. Nein, immer Männer, und wenn man genau genug hingeschaut hat, wohlhabende Männer. Glücksspiel, hab ich mir gedacht. Hohe Einsätze, wie um Tod oder Leben … was von der Art eben. Und einen hat es tatsächlich erwischt. Vor fast einem Jahr war das. Keine Frage, der hat sich selber umgebracht. Kugel durch den Kopf.« Sein freundliches Gesicht verzog sich mitleidig. »Allein in ’nem kleinen Boot; hatte ’ne hübsche kleine Pistole dabei. Perlenbesetzter Griff. Hatte wahrscheinlich mehr verloren, als er bezahlen konnte. Keine Ahnung, was in den Leuten so vorgeht.« Seine Miene verriet auf einmal Müdigkeit, als hätte er zu viel gesehen und dabei sein ganzes Mitleid aufgebraucht.
    Monk

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