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Eines Greifen Ei

Eines Greifen Ei

Titel: Eines Greifen Ei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
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kniehohen Wald beim Naguchi-Park umher und riß einen Baum nach dem anderen heraus.
    Doch es waren die reglosen Gestalten, die bei genauerem Hinsehen noch viel beunruhigender waren. Hier lag ein Mann halb in einem Tunneleingang, halb ragte er aus ihm heraus, so selbstvergessen wie ein Hund. Dort standen drei Frauen in außergewöhnlich schlaffen Posen herum, an der Grenze zur Verzweiflung. Ringsum berührten sich die Leute nicht, sprachen nicht miteinander und gaben auf keinerlei Weise zu erkennen, daß sie sich der Anwesenheit der anderen bewußt waren. Ihnen allen war eine absolute innere Isolation gemein.
    »Was sollen wir ...« Etwas schlug Gunther in den Rücken. Er wurde nach vorn geworfen, die Beine wurden unter ihm weggerissen. Im Stürzen wurde ihm klar, daß Fäuste auf ihn einhieben, immer wieder, und dann kniete ein hagerer Mann auf seiner Brust und brüllte hysterisch. »Lassen Sie das! Lassen Sie das!«
    Beth Hamilton packte den Mann an den Schultern und zog ihn weg. Gunther richtete sich auf die Knie auf. Er blickte dem Wahnsinn ins Gesicht: runde, angsterfüllte Augen, ein Ausdruck voller Panik. Der Mann fürchtete sich vor Gunther.
    Mit einer ruckartigen Drehung befreite sich der Mann. Er rannte, als ob er von Dämonen verfolgt würde. Beth Hamilton sah ihm nach. »Alles in Ordnung?« fragte sie.
    »Ja, klar.« Gunther rückte seine Greifwerkzeuge zurecht. »Wir wollen versuchen, die anderen zu finden.«
    Sie gingen in Richtung See und betrachteten die in sich selbst versunkenen Gestalten, die überall im Gras herumlagen. Niemand unternahm den Versuch, sie anzusprechen. Eine Frau rannte barfuß an ihnen vorbei. Sie hatte die Arme voller Blumen. »He!« rief Beth Hamilton ihr nach. Sie lächelte flüchtig über die Schulter zurück, ohne langsamer zu werden. Gunther kannte sie vom Sehen, sie gehörte zur Geschäftsleitung von Martin Marietta.
    »Sind denn alle hier verrückt?« fragte er.
    »Es sieht ganz danach aus.«
    Die Frau hatte das Ufer erreicht und warf die Blumen mit weit ausholenden Armbewegungen ins Wasser. Sie bedeckten die Oberfläche.
    »Elende Vergeudung!« Gunther war vor den Blumen nach Bootstrap gekommen, er wußte, welche Anstrengungen nötig gewesen waren, um die Genehmigung zu ihrer Anpflanzung zu bekommen und eine Neuordnung der Ökologe der Stadt zu erreichen. Ein Mann in einem blaugestreiften Krupp-Anzug rannte am Seeufer entlang.
    Die Frau, die sich inzwischen der Blumen entledigt hatte, stürzte sich selbst ins Wasser.
    Im ersten Moment sah es so aus, als hätte sie plötzlich beschlossen, ein kleines Bad zu nehmen und zu tauchen. Doch das Zappeln und Strampeln, mit dem sie immer weiter ins Wasser hineinstolperte, machten deutlich, daß sie nicht schwimmen konnte.
    In der Zeit, die Gunther brauchte, um sich das klarzumachen, war Beth Hamilton bereits vorgestürzt und preschte zum Wasser. Mit einiger Verzögerung folgte er ihr. Doch der Mann im Krupp-Anzug war ihnen beiden voraus. Er platschte hinter der Frau her. Eine ausgestreckte Hand packte ihre Schulter, doch dann stürzte er und riß sie mit unter Wasser. Sie war im Gesicht rot angelaufen und hustete halberstickt, als er wieder auftauchte, einen Arm um ihren Brustkorb gelegt.
    Inzwischen wateten auch Gunther und Beth in den See, und zu dritt gelang es ihnen, die Frau ans Ufer zu bringen. Als sie sie losließen, wandte sich die Frau schweigend ab und spazierte davon, als ob nichts geschehen sei.
    »Sie holt neue Blumen«, erklärte der Krupp-Zugehörige. »Das ist das dritte Mal, daß die schöne Ophelia versucht hat, sich zu ertränken. Sie ist nicht die einzige. Ich halte mich hier in der Gegend auf und hole sie wieder raus, wenn sie hineintaumeln.«
    »Wissen Sie, wo all die anderen sind? Gibt es irgendwelche Zuständigen? Jemanden, der Anweisungen erteilt?«
    »Brauchen Sie Hilfe?« fragte Gunther.
    Der Mann zuckte die Achseln. »Bei mir ist alles in Ordnung. Allerdings habe ich keine Ahnung, wo die anderen sind. Meine Freunde waren im Begriff, sich auf die zweite Ebene zu begeben, als ich den Entschluß faßte, lieber hierzubleiben. Wenn Sie ihnen begegnen, könnten Sie ihnen vielleicht sagen, daß ich für eine Nachricht von ihnen dankbar wäre. Es sind drei Burschen in Krupp-Anzügen.«
    »Wir werden es ausrichten«, sagte Gunther.
    Beth Hamilton entfernte sich bereits.
    Auf einer Stufe direkt unter dem obersten Treppenabsatz lag lang hingestreckt einer von Gunthers Kameraden von G5. »Sidney«, sagte er behutsam.

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