Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eines Greifen Ei

Eines Greifen Ei

Titel: Eines Greifen Ei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Swanwick
Vom Netzwerk:
Jetzt weinte sie, leise und beharrlich, und es dauerte eine Minute, bis sie wieder sprechen konnte. »Irgendeine Art von biologischer Waffe. Mehr wissen wir nicht.«
    »Wir sind da.«
    Als er zum Fuß der Mausoleum-Klippe einschwenkte, fiel Gunther ein, daß sie vergessen hatten, eine Bohrmaschine mitzubringen. Dann zählte er zehn schwarze Nischen in der Felsfläche und stellte fest, daß jemand vorausgedacht hatte.
    »Die einzigen Leute, die verschont geblieben sind, sind diejenigen, die im Zentrum oder im Observatorium arbeiteten oder die sich an der Oberfläche aufhielten. Das macht etwa einhundert von uns allen, soweit ich weiß.«
    Sie gingen um den Lieferwagen herum zur Ladefläche. Gunther wartete, doch Beth Hamilton bot nicht an, den Toten zu tragen. Aus irgendeinem Grund war Gunther darüber wütend und verärgert. Er entriegelte die Klappe, sprang auf das Trittbrett und hievte die Leiche heraus. »Wir wollen es hinter uns bringen.«
    Bis zu diesem Tag waren insgesamt erst sechs Menschen auf dem Mond gestorben. Sie gingen an den Höhlen vorbei, in denen die Toten die Ewigkeit erwarteten. Gunther kannte ihre Namen auswendig: Heisse, Yasuda, Spehalski, Dubinin, Mikami, Castillo. Und jetzt Hiro. Es erschien unvorstellbar, daß je der Tag kommen würde, an dem es zu viele Tote geben würde, um sie alle namentlich zu kennen.
    Gänseblümchen und Tigerlilien waren als so dichter Teppich vor den Grabnischen verstreut, daß er es nicht verhindern konnte, einige zu zertreten.
    Sie betraten die erste leere Nische, und er legte Hiro auf einem Steinsims ab, der in den Fels gehauen war. Im Schein der Helmlampe sah sein Körper jämmerlich verdreht und gequält aus. Gunther merkte, daß er weinte; große heiße Tränen rannen ihm übers Gesicht und gerieten ihm beim Einatmen in den Mund. Er schaltete seine Sprechanlage aus, bis es ihm gelungen war, die Tränen wegzublinzeln. Er wischte sich mit der Hand über den Helm. »Ich denke, wir sollten ein paar Worte sagen.«
    Beth Hamilton nahm seine Hand und drückte sie.
    »Ich habe ihn noch nie so glücklich wie heute erlebt. Er war im Begriff zu heiraten. Er hüpfte herum, lachte und sprach davon, eine Familie zu gründen. Und jetzt ist er tot, und ich weiß nicht einmal, welcher Religion er angehörte.« Ein Gedanke zuckte ihm durch den Kopf, und er drehte sich hilflos zu Beth um. »Was sollen wir Anya sagen?«
    »Sie hat ihre eigenen Probleme. Los, sprich ein Gebet, dann laß uns gehen. Dir geht allmählich der Sauerstoff aus.«
    »Ja, okay.« Er neigte den Kopf. »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts ...«

    IN BOOTSTRAP HATTE DIE GRUPPE an der Oberfläche inzwischen die Luftschleusen eingenommen und den Aufseher von den Kontrollarmaturen weggezogen. Der Mann von Westinghouse, Posner, sah durch das Beobachtungsfenster zu ihnen herab. »Halten Sie Ihre Anzüge dicht«, warnte er sie. »Lassen Sie sie die ganze Zeit über fest verschlossen. Was immer es war, das auf diesen Kerl hier eingewirkt hat, ist immer noch da. Vielleicht im Wasser, vielleicht in der Luft. Eine Brise davon, und Sie sind weg vom Fenster. Haben Sie verstanden?«
    »Wir haben vollkommen verstanden, und wir sind bis zum äußersten zur Kooperation bereit«, beteuerte Beth Hamilton schnell. » Nicht wahr, Weil?«
    Er nickte mürrisch.
    Nur eine Sperre war bis jetzt durchbrochen worden, und es gab noch fünf weitere Druckschleusen zwischen ihr und dem Raum mit Bootstrap-Luft. Die Konstrukteure der Stadt hatten viel Vorsicht walten lassen.
    Unter der Aufsicht von Posner gingen sie durch die Korridore, Schleusen und Wechselkammern und fuhren mit Lastenaufzügen nach oben. Endlich traten sie ins Innere der Stadt hinaus.
    Sie standen blinzelnd am Rand der Hölle.
    Im ersten Moment war es unmöglich, irgendeinen Ursprung des überwältigenden Empfindens der Falschheit auszumachen, das an den Grenzen des Bewußtseins nagte. Die Parks waren gefleckt von Leuten; die Strahler an der Schnittstelle von Kraterwänden und Dach leuchteten hell, und die Wasserfälle plätscherten immer noch anmutig von Terrasse zu Terrasse. Laufhühnchen bewegten sich mit komischen Hopsern durchs Gras.
    Dann drängten sich störend einige Kleinigkeiten auf. Ein Mann taumelte über die vierte Ebene, mit zuckendem Kopf und steif schlenkernden Armen. Eine plumpe Frau watschelte vorbei; sie zog einen leeren Karren, der ehemals ein fahrbarer Mikrofabrikationsstand gewesen war, hinter sich her und gackerte wie eine Ente. Jemand ging in dem

Weitere Kostenlose Bücher